Das Silmarillion
aller gewonnen, nur nicht Maeglins und seiner geheimen Anhänger; und so kam es zur zweiten Vereinigung zwischen Elben und Menschen.
Im Frühjahr darauf wurde in Gondolin Earendil der Halbelb geboren, Sohn von Tuor und Idril Celebrindal; und dies war fünfhundertunddrei Jahre nach der Ankunft der Noldor in Mittelerde. Unübertrefflich schön war Earendil, denn ein Licht war in seinem Antlitz wie das Licht des Himmels; in ihm waren die Schönheit und Weisheit der Eldar mit der Kraft und Kühnheit der alten Menschen vereinigt; und immer sprach das Meer zu seinem Ohr und Herzen, wie zu Tuor, seinem Vater.
Damals waren die Tage von Gondolin noch voll Freude und Frieden, und niemand wusste, dass das Gebiet, wo das Verborgene Königreich lag, Morgoth schon durch Húrins Schreie verraten worden war, als dieser in der Wildnis vor den Umzingelnden Bergen stand und, da er keinen Eingang finden konnte, in seiner Verzweiflung nach Turgon rief. Seither kreisten Morgoths Gedanken unablässig um das gebirgige Land zwischen dem Anach und dem Oberlauf des Sirion; dank der Wachsamkeit der Adler jedoch konnte noch kein Späher und keine Kreatur aus Angband dorthin gelangen, und Morgoth war in der Erfüllung seiner Pläne aufgehalten. Idril Celebrindal aber war gelehrt und weitblickend, und ihr ahnte Schlimmes, und Vorwissen kroch wie eine Wolke über ihren Geist. Daher ließ sie in jener Zeit einen geheimen Weg vorbereiten, einen Tunnel, der unter der Stadt bis zu einem Ausgang weit jenseits der Mauern führte, nördlich des Amon Gwareth; und sie fing es so an, dass die Arbeiten nur wenig bekannt wurden und kein Wort davon je an Maeglins Ohr drang.
Zu einer Zeit nun, als Earendil noch ein Kind war, verschwand Maeglin. Denn, wie erzählt worden, er liebte den Bergbau und das Schürfen nach den Metallen mehr als jede andere Kunst, und er war der Meister und Führer der Elben, die fern der Stadt in den Bergen nach Metallen gruben, aus denen sie schmiedeten, wessen sie zu Krieg und Frieden bedurften. Doch oft ging Maeglin mit wenigen seiner Leute über den Sperrgürtel der Berge hinaus, und der König wusste nicht, dass sein Gebot derart missachtet wurde; und so wollte es das Schicksal, dass Maeglin von Orks gefangen und nach Angband gebracht wurde. Maeglin war nicht schwach oder feig, doch die Qualen, die man ihm androhte, beugten seinen Geist, und er erkaufte Leben und Freiheit, indem erMorgoth die genaue Lage von Gondolin verriet und die Wege, auf denen es zu erreichen und anzugreifen war. Groß war da Morgoths Freude, und Maeglin versprach er, dass er über Gondolin als sein Vasall herrschen und Idril Celebrindal zum Besitz erhalten solle, sobald die Stadt erst genommen wäre; und gewiss erleichterten Maeglins Begehren nach Idril und sein Hass auf Tuor den Verrat, den schimpflichsten von allen, über die in den Geschichten aus den Ältesten Tagen berichtet wird. Morgoth schickte ihn jedoch nach Gondolin zurück, damit niemand den Verrat argwöhne und Maeglin den Angriff, wenn die Stunde käme, von innen unterstützen könne; und er ging weiter durch die Hallen des Königs, Lächeln im Antlitz und Unheil im Herzen, während sich das Dunkel immer dichter um Idril legte.
Endlich, in dem Jahr, als Earendil sieben Jahre alt wurde, war Morgoth bereit, und er ließ seine Balrogs und seine Orks und seine Wölfe auf Gondolin los; und mit ihnen kamen Drachen aus Glaurungs Brut, und sie waren nun zahlreich und furchtbar. Morgoths Heer kam von Norden, wo die Berge am höchsten und die Wachen am spärlichsten waren, und es kam in der Nacht vor einem Fest, als in Gondolin jedermann auf den Mauern war, um die Sonne zu erwarten und Gesänge anzustimmen, wenn sie aufginge; der nächste Tag nämlich war der große Festtag, den man als die Pforten des Sommers bezeichnete. Das rote Licht aber stieg über den Bergen im Osten auf, und niemand sah nach Norden; und so wurde dem Vordringen der Feinde kein Halt geboten, bis sie schon unter den Mauern standen und die Stadt hoffnungslos eingeschlossen war. Von den Taten verzweifelten Muts, welche die Häupter der edlen Häuser und ihre Krieger dort leisteten, nicht zuletzt Tuor, wird ausführlich im Fall von Gondolin erzählt: wie Ecthelion von der Quelle auf demPlatz vor dem Königshause mit Gothmog, dem Fürsten der Balrogs, kämpfte und beide einander erschlugen, und wie Turgons Turm von den Männern seines Hauses verteidigt wurde, bis man den Turm umwarf. Gewaltig war sein Einsturz wie der Sturz Turgons
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