Das Silmarillion
gewappnet und gepanzert, und sie kamen nicht mehr mit Geschenken, sondern mit blutigem Krieg. Sie machten Jagd auf die Menschen von Mittelerde, nahmen ihnen ihre Habe und versklavten sie; und viele schlachteten sie grausam auf ihren Altären. Denn auch in ihren Festungen bauten sie zu jener Zeit Tempel und große Grabmäler; und die Menschen fürchteten sich vor ihnen, und das Andenken der freundlichen Könige der alten Zeit verschwand aus der Welt und wurde von manch einer Greuelgeschichte verdunkelt.
So wurde Ar-Pharazôn, der König des Sternenlandes, zum mächtigsten Tyrannen, den die Welt seit der HerrschaftMorgoths gekannt hatte, doch in Wahrheit stand Sauron hinter dem Thron und beherrschte alles. Aber die Jahre gingen hin, und der König fühlte den Schatten des Todes nahen, als seine Tage länger wurden; und er war voller Angst und Wut. Nun kam die Stunde, die Sauron vorbereitet und lange erwartet hatte. Und Sauron sprach zu dem König und sagte, so groß sei nun seine Stärke, dass er daran denken könne, seinen Willen in allem zu haben, ohne Rücksicht auf jeden Befehl oder Bann.
Und er sagte: »Des Landes, wo kein Tod ist, haben die Valar sich bemächtigt; und was dies Land angeht, belügen sie dich und verstecken es vor dir, so gut sie nur können, denn geizig sind sie und voller Furcht, die Könige der Menschen möchten ihnen das todlose Land entreißen und die Welt an ihrer statt regieren. Und wenn auch, ohne Zweifel, die Gabe unendlichen Lebens nicht für jeden ist, sondern nur für die Würdigen, Männer von Macht und Stolz und hoher Geburt, so geschieht es doch wider alles Recht, dass diese Gabe dem vorenthalten wird, dem sie gebührt, dem König aller Könige, Ar-Pharazôn, dem Mächtigsten unter allen Erdensöhnen, mit dem einzig Manwe zu vergleichen wäre, wenn überhaupt einer. Große Könige aber lassen sich nichts verweigern und nehmen sich, was ihnen zukommt.«
Ar-Pharazôn hörte auf Sauron, denn er war von Sinnen, und der Schatten des Todes lag auf ihm, und seine Zeit lief ab; und im Herzen begann er zu erwägen, wie er gegen die Valar Krieg führen könnte. Lange rüstete er für diesen Plan; er sprach nicht offen davon, doch nicht vor allen ließ er sich verbergen. Und Amandil, dem des Königs Absichten deutlich wurden, war bestürzt und voll tiefer Furcht, denn er wusste, dass Menschen nicht die Valar im Kriege besiegen konnten und dass die Welt in Trümmer gehen musste, wenndem kein Halt geboten wurde. Daher rief er seinen Sohn Elendil zu sich und sagte zu ihm:
»Dunkel sind die Tage, und keine Hoffnung ist für die Menschen, denn der Getreuen sind wenige. Daher habe ich beschlossen, jenen Ausweg zu suchen, den einst unser Vorvater Earendil fand, und in den Westen zu fahren, ob auch der Bann es verbiete, und zu den Valar zu sprechen, ja zu Manwe selbst, wenn es sein kann, und seine Hilfe zu erflehen, ehe alles dahin ist.«
»Willst du also den König verraten?«, sagte Elendil. »Denn du weißt wohl, welche Klage sie gegen uns führen, dass wir Verräter und Spione seien, und bis auf diesen Tag ist das falsch gewesen.«
»Wenn ich glaubte, dass Manwe eines solchen Boten bedarf«, sagte Amandil, »so würde ich den König verraten. Denn nur eine Treuepflicht gibt es, von der kein Mensch aus keinem Grunde im Herzen freigesprochen werden kann. Was ich aber erbitten will, ist Erbarmen mit den Menschen und ihre Befreiung von Sauron, dem Betrüger, denn einige wenige sind treu geblieben. Und was den Bann angeht, so will ich selbst die Strafe erleiden, damit nicht mein ganzes Volk schuldig werde.«
»Doch was glaubst du, mein Vater, was die aus deinem Hause erwartet, die du zurücklässt, wenn deine Tat bekannt wird?«
»Sie muss nicht bekannt werden«, sagte Amandil. »Ich will die Fahrt insgeheim vorbereiten und zuerst nach Osten segeln, wohin jeden Tag aus unsren Häfen Schiffe abfahren; dann aber, wie der Wind und das Glück es wollen, wende ich mich nach Norden oder Süden und von da zurück nach Westen, und dann komme, was da will. Was aber dich, mein Sohn, und die Deinen angeht, so rate ich, dass du Schifferüstest; schafft alles an Bord, wovon eure Herzen sich nicht trennen mögen. Und sind die Schiffe bereit, so lass sie im Hafen von Rómenna ankern, und unter den Menschen verbreite, du wolltest mir in den Osten folgen, wenn deine Zeit heran sei. Unsrem Verwandten auf dem Thron ist Amandil nicht mehr so teuer, dass er sich grämen wird, wenn wir abreisen wollen, sei es für
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