Das Silmarillion
Númenórer damals die Küstenlande von Mittelerde überzogen, um ihre Herrschaft über die Menschen zu erweitern; und so stand er in hohem Ansehen als Heerführer zu Wasser und zu Lande. Als er daher vom Tode seines Vaters erfuhr und nach Númenor zurückkehrte, flogen die Herzen des Volkes ihm zu, denn er brachte große Reichtümer mit, die er fürs Erste großzügig verteilte.
Und es geschah, dass Tar-Palantir der Sorgen müde wurde und starb. Er hatte keinen Sohn, nur eine Tochter, die er in der Elbensprache Míriel genannt hatte, und ihr nun fiel nach Recht und Gesetz der Númenórer das Szepter zu. Pharazôn aber nahm sie gegen ihren Willen zur Frau, und zu diesem Unrecht kam ein zweites, denn die Gesetze von Númenor verboten denen die Ehe, die näher denn als Vettern zweiten Grades blutsverwandt waren, und dies galt auch für das Königshaus. Nach der Hochzeit nahm er das Szepter in die eigenen Hände und legte sich den Titel Ar-Pharazôn bei (Tar-Calion in der Eldarinsprache); und der Königin gab er den Namen Ar-Zimraphel.
Von allen, die je seit der Gründung von Númenor das Szepter der Seekönige geführt hatten, war Ar-Pharazôn der Goldene am mächtigsten und stolzesten; und dreiundzwanzig Könige, die nun in ihren tiefen Gräbern unter dem Gipfel des Meneltarma und auf goldenen Betten schliefen, hatten vor ihm die Númenórer regiert.
Und wie er nun auf seinem gemeißelten Thron in der Stadt Armenelos saß, in dunklem Brüten, sann er auf Krieg. Denn in Mittelerde hatte er erfahren, wie stark SauronsReich war und wie sehr Sauron Westernis hasste. Und dann kamen die Hauptleute und Kapitäne aus dem Osten zu ihm und berichteten, wie Sauron alle Kräfte aufgeboten hatte, seit Ar-Pharazôn Mittelerde verlassen, und wieder gegen die Küstenstädte vorrückte. Sauron hatte nun den Titel eines Königs der Menschen angenommen und erklärte offen seine Absicht, die Númenórer ins Meer zu treiben und auch Númenor zu vernichten, sobald er es vermochte.
Groß war Ar-Pharazôns Zorn über diese Nachrichten, und während er lange und heimlich nachsann, erfüllte sich sein Herz mit dem Wunsch nach unumschränkter Macht und Alleinherrschaft seines Willens. Und er entschied, unberaten von den Valar und von allen außer ihm selbst, dass er für sich den Titel des Königs der Menschen fordern, Sauron aber zwingen werde, ihm zu dienen und Gefolgschaft zu leisten; denn in seinem Stolz glaubte er, nie werde je ein König erstehen, mächtig genug, um mit Earendils Erben zu streiten. Daher begann er zu jener Zeit, große Vorräte an Waffen zu schmieden; und viele Kriegsschiffe baute er und rüstete sie; und als alles bereit war, fuhr er selbst mit seinem ganzen Heer nach Osten.
Und die Menschen sahen seine Segel vom Sonnenuntergang her kommen, wie in Purpur getaucht, rot und golden schimmernd, und Furcht befiel die Küstenbewohner, und sie flohen weit von dannen. Die Flotte aber gelangte schließlich zu jenem Ort, der Umbar genannt wurde, wo sich der gewaltige Hafen der Númenórer befand, der nicht von Menschenhand gebaut war. Leer und still lagen die Lande ringsum, als der König der See Mittelerde betrat. Sieben Tage lang zog er mit Standarten und Trompeten durchs Land, und dann kam er zu einem Hügel und stieg hinauf, und dort schlug er seinKönigszelt und seinen Thron auf und setzte sich nieder, mitten im Lande, und rings um ihn reihten sich die Zelte seines Heeres, blau, golden und weiß, wie ein Feld großer Blumen. Dann schickte er Herolde aus und befahl Sauron, herbeizukommen und ihm Gefolgschaft zu schwören.
Und Sauron kam. Aus seinem mächtigen Turm von Barad-dûr kam er, und keine Schlacht bot er an. Denn er erkannte, dass die Macht und Herrlichkeit der Seekönige jedes Gerücht übertraf, so dass auch auf die stärksten unter seinen Dienern kein Verlass war; und er sah die Zeit noch nicht gekommen, wo er nach seinem Willen mit den Dúnedain verfahren mochte. Und findig, wie er war, wusste er sein Ziel mit List zu erreichen, wo Gewalt nicht half. Also demütigte er sich vor Ar-Pharazôn und sprach mit glatter Zunge; und die Menschen staunten, denn was immer er sagte, schien weise und gerecht.
Ar-Pharazôn aber war nicht leicht zu täuschen, und ihm kam es in den Sinn, dass er Saurons und seiner Treueschwüre sicherer wäre, wenn er ihn nach Númenor brächte, als Geisel für ihn selbst und all seine Diener in Mittelerde. Dem stimmte Sauron zu, wie einer, dem man Zwang antut, insgeheim aber frohlockte er,
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