Das Silmarillion
feuriger Strahl schlug in die Kuppel des Tempels und riss sie auf, und sie war in Flammen gehüllt. Doch der Tempel selbst wankte nicht, und dort stand Sauron auf der Zinne und trotzte dem Blitz und blieb unversehrt; und in jener Stunde hießen die Menschen ihn einen Gott und taten, was immer er wollte. Als daher das letzte Vorzeichen kam, beachteten sie es wenig. Denn das Land erbebte unter ihren Füßen, und ein Grollen wie von unterirdischem Donner mischte sich in das Brüllen der See, und Rauch stiegauf vom Gipfel des Meneltarma. Doch umso eiliger nur trieb Ar-Pharazôn seine Rüstung voran.
Zu dieser Zeit war das Meer im Westen des Landes schwarz von den Flotten der Númenórer, und sie waren wie ein Archipel von tausend Inseln, ihre Masten wie Wald auf den Bergen und ihre Segel wie eine tiefhängende Wolke; und ihre Banner waren golden und schwarz. Und alles wartete auf den Befehl Ar-Pharazôns; und Sauron zog sich in den innersten Kreis des Tempels zurück, und man schleppte ihm Menschen herbei, dass er sie zum Opfer verbrenne.
Dann kamen die Adler der Herren des Westens aus dem sinkenden Tag, und sie waren wie zur Schlacht gereiht und flogen in einer Linie, deren Enden man nicht sehen konnte; und als sie kamen, spreizten sich ihre Flügel immer weiter und griffen in den Himmel. Hinter ihnen aber brannte rot der Westen, und von unten glühten sie, als loderte eine Flamme heißen Zorns in ihnen, so dass ganz Númenor wie von einem Brande erhellt schien; und wenn die Menschen einander in die Gesichter sahen, so schienen sie rot zu sein vor Wut.
Da verhärtete Ar-Pharazôn sein Herz und ging an Bord seines gewaltigen Schiffs Alcarondas, der Meeresburg. Vielruderig war es und vielmastig, golden und pechschwarz; und auf ihm stand Ar-Pharazôns Thron. Dann legte er Rüstung und Krone an, ließ die Standarten heben und gab das Zeichen, die Anker zu lichten; und in jener Stunde übertönten die Trompeten von Númenór den Donner.
So fuhren die Flotten der Númenórer aus gegen die Drohung von Westen; und sie hatten wenig Wind, doch viele Ruder und viele starke Sklaven, welche die Peitsche antrieb. Die Sonne ging unter, und eine große Stille brach an. Dunkelheit fiel auf das Land, und die See war ruhig, während dieWelt harrte, was geschehen würde. Langsam entschwanden die Flotten den Blicken der Gaffer in den Häfen, und ihre Lichter verblassten, und die Nacht umfing sie; und am Morgen waren sie fort. Denn ein Wind erhob sich im Osten und trieb sie davon; und sie brachen den Bann der Valar und fuhren auf die verbotenen Meere hinaus, die Unsterblichen bekriegend, um ihnen das ewige Leben in den Kreisen der Welt zu entreißen.
Die Flotten Ar-Pharazôns aber kamen über die Tiefen der See und fuhren an Avallóne und der ganzen Insel Eressea vorbei; und die Eldar trauerten, denn das Licht der untergehenden Sonne wurde von der Wolke der Númenórer verdunkelt. Und zuletzt kam Ar-Pharazôn bis nach Aman, zum Segensreich, und bis an die Küsten von Valinor; und immer noch war alles still, und das Schicksal hing an einem Faden. Denn Ar-Pharazôn schwankte am Ende, und fast wäre er umgekehrt. Schlimmes ahnend, blickte er auf die todlosen Gestade und sah den Taniquetil glänzen, weißer als Schnee, kälter als der Tod, stumm, unwandelbar, schrecklich wie der Schatten, den Ilúvatars Licht wirft. Doch der Stolz war nun sein Gebieter, und schließlich ging er von Bord und betrat das Ufer, wo er das Land als sein Eigen erklärte, wenn niemand darum kämpfen wolle. Und ein Heer der Númenórer schlug ein prächtiges Lager auf zu Füßen der Túna, von wo alle Eldar geflohen waren.
Dann rief Manwe auf dem Berge Ilúvatar an, und für diese Zeit legten die Valar die Herrschaft über Arda nieder. Ilúvatar aber zeigte seine Macht, und er änderte den Bau der Welt; und ein großer Spalt tat sich auf im Meer zwischen Númenor und den Unsterblichen Landen, und die Wasser strömten hinein, und der Lärm und Rauch der Kataraktestiegen zum Himmel auf, und die Welt bebte. Und all die Flotten der Númenórer wurden in den Abgrund gezogen und gingen unter und wurden für immer verschlungen. Ar-Pharazôn aber, der König und seine sterblichen Krieger, welche den Fuß auf das Land Aman gesetzt, wurden unter herabstürzenden Bergen begraben: Dort, so wird gesagt, liegen sie in die Höhlen der Vergessenen eingekerkert bis zur letzten Schlacht und dem Tag des Schicksals.
Das Land Aman aber und Eressea, die Insel der Eldar, wurden für
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