Das Silmarillion
Stimmen; und dort war das Reich des Königs Thranduil unter Eiche und Buche. Nach vielen Jahren aber, als fast ein Drittel jenes Weltalters vergangen war, kroch ein Schatten langsam von Süden her durch den Wald, und Grauen schritt dort durch dämmrige Lichtungen; Raubgetier kam und jagte, und grausame und boshafte Wesen spannten ihre Netze aus.
Nun wurde der Wald anders benannt: Er hieß fortan Düsterwald, denn tiefer Nachtschatten lag auf ihm, und nur wenige wagten sich mehr hindurch, und dies nur im Norden, wo Thranduils Volk das Unheil noch in Schranken hielt. Woher das Unheil kam, wussten wenige zu sagen, und lange dauerte es, bis selbst die Weisen es herausfanden. Es war Saurons Schatten, Zeichen seiner Rückkehr. Denn er kam aus den östlichen Einöden und ließ sich im Süden des Waldes nieder, und langsam wuchs er dort und nahm wieder Gestalt an. In einem dunklen Hügel schlug er sein Lager auf und übte seine schwarzen Künste; und alles Volk fürchtete den Hexenmeister von Dol Guldur, und doch kannte zuerst niemand die Größe der Gefahr.
Schon als die ersten Schatten auf dem Düsterwald bemerkt wurden, erschienen im Westen von Mittelerde die Istari, welche die Menschen Zauberer nannten. Niemand wusste zu der Zeit, woher sie kamen, außer Círdan von den Anfurten, und der sagte es keinem, bis auf Elrond und Galadriel, dass sie übers Meer gekommen waren. Später aber hieß es unter Elben, Boten seien sie gewesen, ausgesandt von den Herren im Westen, um gegen Saurons Macht zu streiten, sollte er wieder aufstehen, und Elben und Menschen und alles, was Leben und guten Willen hatte, zu kühnen Taten zu bewegen. In Menschengestalt erschienen sie, alt, doch kraftvoll, und sie änderten sich kaum mit den Jahren und alterten nur langsam, obgleich große Mühen auf ihnen lagen; vieles wussten sie, und vieles vermochten sie mit Geist und Hand. Lange gingen sie unter Elben und Menschen umher, und sie hielten auch mit Tier und Vogel Zwiesprache; unddie Völker von Mittelerde gaben ihnen viele Namen, denn ihre wahren Namen verrieten sie nicht. Die Mächtigsten unter ihnen waren jene beiden, welche die Elben Mithrandir und Curunír, die Menschen im Norden aber Gandalf und Saruman nannten. Von ihnen war Curunír der Älteste; er kam als Erster, und nach ihm kamen Mithrandir und Radagast und andere Istari, die in den Osten von Mittelerde gingen und in diesen Geschichten keine Erwähnung finden. Radagast war der Freund aller Tiere und Vögel; Curunír aber ging am meisten unter die Menschen. Von feiner Beredsamkeit war er und wusste in allen Dingen der Schmiedekunst Bescheid. Mithrandir war am vertrautesten mit Elrond und den Elben. Er wanderte weit im Norden und Westen, und in keinem Land blieb er je lange; Curunír aber wanderte in den Osten, und als er zurückkam, ließ er sich in Orthanc, im Ring von Isengart nieder, den die Númenórer in den Tagen ihrer Macht erbaut hatten.
Stets der Wachsamste war Mithrandir, und er war es auch, dem der Schatten auf dem Düsterwald am meisten zu denken gab; denn wenn viele auch glaubten, dass er das Werk der Ringgeister sei, er fürchtete, es sei schon der erste Schatten des zurückgekehrten Sauron; und er ging zum Dol Guldur, und der Hexer floh ihn, und für lange Zeit herrschte ein argwöhnischer Friede. Zuletzt aber kam der Schatten zurück, und seine Macht wuchs; und zu der Zeit wurde erstmals der Rat der Weisen gehalten, den man den Weißen Rat nannte, und im Rate saßen Elrond und Galadriel und Círdan und andere Fürsten der Eldar, und mit ihnen Mithrandir und Curunír. Und Curunír (auch Saruman der Weiße genannt) wurde zum Obersten gewählt, denn er hatte am längsten Saurons alte Künste erforscht. Galadriel aber hatte gewünscht, dass Mithrandir dem Rate vorstehen möge, unddeshalb grollte Saruman, denn sein Stolz und sein Machtgelüst waren gewachsen; Mithrandir aber lehnte das Amt ab, denn er wollte keine Pflicht und Bindung außer gegen jene, die ihn gesandt hatten, noch wollte er an einem festen Platze wohnen oder irgendwem Rechenschaft schuldig sein. Doch Saruman begann nun die Wissenschaft von den Ringen der Macht zu erkunden, von ihrer Fertigung und ihrer Geschichte.
Immer weiter wuchs nun der Schatten, und in Elronds und in Mithrandirs Herz wurde es dunkler. So ging Mithrandir eines Tages noch einmal unter großer Gefahr zum Dol Guldur und den Höhlen des Hexenmeisters; und er fand, was er fürchtete, und entkam. Und als er zu Elrond zurückkehrte, da sagte
Weitere Kostenlose Bücher