Das Silmarillion
allen Dingen, die sie bemerkten, Namen zu geben. Sich selbst nannten sie Quendi, das heißt, die, welche mit Stimmen sprechen; denn noch war ihnen kein andres Ding von Leben begegnet, das sprach oder sang.
Und einmal traf es sich, dass Orome zur Jagd nach Osten ritt, und an den Ufern von Helcar wandte er sich nach Norden und zog unter den Schatten der Orocarni hindurch, der Berge des Ostens. Da stieß plötzlich Nahar ein lautes Wiehern aus und blieb stehen. Und Orome war verwundert und horchte, und es schien ihm, dass er in der Stille des Landes unter den Sternen ganz weit in der Ferne viele Stimmen singen hörte.
So kam es, dass die Valar endlich, durch Zufall gleichsam, jene fanden, auf die sie so lange gewartet hatten. Und Orome, als er die Elben erblickte, war voll Staunens, alswären sie ganz plötzlich, wie durch ein Wunder und unvorhergesehen, erschienen. Denn so wird es den Valar immer ergehen. Außerhalb der Welt mögen zwar alle Dinge in der Musik vorgedacht oder in einem Gesicht von ferne vorgewiesen sein, jenen aber, die Ea wahrhaftig betreten, begegnet jedes Ding zu seiner Zeit als ein Neues, unverhofft und ungeweissagt.
Zu Anfang waren die Älteren Kinder Ilúvatars stärker und größer, als sie seither geworden, nicht aber schöner, denn wenn auch die Schönheit der Quendi in den Tagen ihrer Jugend alles andre übertraf, das Ilúvatar ins Leben gerufen, so ist sie doch nicht vergangen, sondern lebt fort im Westen, und Leid und Weisheit haben sie nur reicher gemacht. Und Orome fand Gefallen an den Quendi, und in ihrer eigenen Sprache nannte er sie Eldar, das Volk der Sterne; doch diesen Namen trugen später nur diejenigen, die ihm nach Westen folgten.
Viele der Quendi waren aber voller Schrecken, als er kam, und das war Melkors Werk. Gemäß späterem Wissen sagen nämlich die Weisen, dass Melkor, der stets Obacht gab, das Erwachen der Quendi als Erster bemerkt hatte, und er sandte Schatten und Ungeheuer, ihnen nachzuspionieren und aufzulauern. So kam es, einige Jahre, bevor Orome sie fand, dass die Elben, wenn sie allein oder zu wenigen weit in die Umgebung schweiften, oftmals verschwanden und nicht wiederkehrten; und die Quendi sagten dann, der Jäger habe sie gefangen, und sie fürchteten sich. Und die ältesten Lieder der Elben, deren Nachklänge im Westen noch in Erinnerung sind, sprechen noch von den Schattenwesen, die in den Bergen hinter Cuiviénen umgingen oder plötzlich über die Sterne zogen, und von dem dunklen Reiter auf seinem wilden Ross, der Jagd machte auf jene, die aus waren, die Elbenzu fangen und zu verschlingen. Melkor nun fürchtete und verabscheute Oromes Jagdritte, und entweder schickte er selbst seine dunklen Diener in Gestalt von Reitern aus, oder er verbreitete Lügen und Gerüchte, damit die Quendi vor Orome fliehen sollten, wenn sie ihm je begegneten.
So kam es, dass manche der Quendi, als Nahar wieherte und Orome unter sie trat, sich versteckten, und manche flohen und wurden nicht wieder gesehen. Die aber, welche Mut hatten und blieben, sahen schnell, dass der Große Reiter keine Gestalt des Dunkels war, denn das Licht von Aman schien aus seinem Antlitz, und die Edelsten der Elben wurden zu ihm hingezogen.
Von jenen Unglücklichen aber, die Melkor betört hatte, ist nichts Gewisses bekannt. Denn wer von den Lebenden wäre je in die Höhlen von Utumno gestiegen, und wer hätte Melkors dunkle Ratschlüsse erforscht? Doch dies halten die Weisen von Eressea für wahr, dass alle die Quendi, die in Melkors Hände fielen, ehe Utumno zerstört wurde, dort in Gefangenschaft kamen und durch die langsamen Künste der Folter verderbt und versklavt wurden; und so züchtete Melkor das ekle Volk der Orks, in Neid und Hohn den Elben nachgebildet, deren bitterste Feinde sie später waren. Denn die Orks hatten Leben und vermehrten sich ganz so wie die Kinder Ilúvatars; und nichts, was nach eigener Art lebte oder zu leben schien, konnte Melkor je mehr schaffen seit seiner Auflehnung in der Ainulindale vor dem Anbeginn: So sagen die Weisen. Und tief in ihren dunklen Herzen hassten die Orks den Meister, dem sie in Furcht dienten und der sie zu solchem Elend geschaffen. Es mag wohl sein, dass dies von Melkors Taten die schändlichste und für Ilúvatar die verhassteste war.
Orome blieb eine Weile bei den Quendi, und dann ritt er schnell über Land und Meer zurück nach Valinor und brachte Meldung nach Valmar; und er sprach von den Schatten, die Cuiviénen heimsuchten. Da jubelten die
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