Das Silmarillion
man die Laiquendi, die Grünelben, weil sie Gewänder von der Farbe des Laubes trugen. Viele aber gingen nach Norden in Thingols bewachtes Reich und verschmolzen mit seinem Volk.
Und als Thingol wieder nach Menegroth kam, erfuhr er, dass im Westen das Heer der Orks siegreich gewesen war und Círdan bis ans Ufer des Meeres gedrängt hatte. Er rief daher all die Völker, die seine Boten erreichen konnten, in die dichten Wälder von Neldoreth und Region zusammen, und Melian bot ihre Macht auf und umgab den ganzen Bezirk ringsum mit einem unsichtbaren Zaun von Schatten und Irrwerk: Dies war der Gürtel Melians, den niemand hinfort gegen ihren und König Thingols Willen durchschreiten konnte, solange kein Mächtigerer kam als Melian die Maia. Und dieser innere Bezirk, der lange Eglador geheißen hatte, wurde hernach Doriath genannt, das Bewachte Königreich, das Land im Gürtel. Darinnen bestand ein wachsamer Friede, doch ringsum lauerten Gefahren und Schrecken, und Morgoths Diener gingen um, wie sie wollten, außer in den befestigten Häfen der Falas.
Doch neue Ereignisse waren eingetreten, die niemand in Mittelerde hatte kommen sehen, weder Morgoth in seinen Höhlen noch Melian in Menegroth; denn keine Botschaft kam mehr aus Aman nach dem Tod der Bäume, nicht durch Boten noch durch Geister oder Traumgesichte. Zur selben Zeit kam Feanor über das Meer auf den weißen Schiffen der Teleri, landete am Fjord von Drengist und verbrannte dort die Schiffe bei Losgar.
KAPITEL XI
VON SONNE UND MOND UND
DER VERHÜLLUNG VALINORS
E rzählt wurde, wie die Valar nach Melkors Flucht lange regungslos auf ihren Thronen im Schicksalsring saßen; doch müßig, wie Feanor in seiner Verblendung gesagt hatte, waren sie nicht. Denn vieles können die Valar mit Gedanken statt mit Händen bewirken, und stumm, ohne zu sprechen, können sie miteinander Rat halten. So wachten sie in der Nacht von Valinor, und ihre Gedanken gingen zurück bis vor Ea und voraus bis an das Ende; doch keine Kraft noch Weisheit milderte ihr Leid und Wissen um das Unheil zur Stunde, da es geschah. Und um den Tod der Bäume trauerten sie nicht mehr als um die Verderbnis Feanors: von allen Werken Melkors eines der bösesten. Denn der Gewaltigste unter allen Kindern Ilúvatars war Feanor an allen Gliedern von Leib und Geist, an Kühnheit, an Beharrlichkeit, Schönheit, Wissen und Kunst, List und Kraft, und eine helle Flamme brannte in ihm. Die Wunder, die er zum Ruhme Ardas hätte schaffen können, vermochte nur Manwe halbwegs zu ermessen. Und später erzählten die Vanyar, welche mit den Valar wachten: Als die Boten Manwe berichteten, was Feanor seinen Herolden geantwortet, da habe Manwe geweint und den Kopf sinken lassen. Bei Feanors letzten Worten aber, dass die Noldor wenigstens Taten leisten würden, die auf immer in den Liedern leben sollten, da hob er den Kopf, als lauschte er auf eine Stimme von fern, und sagte: »So sei es! Als teuer bezahlt mögen jene Lieder gelten, und doch als wohlfeil. Denn der Preis könnte kein anderer sein. Wie Eru zu uns gesprochen: Unerahnte Schönheit werde Ea zuteil, und Böses soll gut sein, wenn es gewesen ist.«
Mandos aber sagte: »Und doch böse bleiben. Zu mir wird Feanor bald kommen.«
Als aber die Valar zuletzt erfuhren, dass die Noldor tatsächlich Aman verlassen hatten und nach Mittelerde zurückgekehrt waren, da erhoben sie sich und begannen auszuführen, was sie in Gedanken beschlossen hatten, um die Übel Melkors gutzumachen. Manwe bat Yavanna und Nienna, all ihre Kräfte des Wachsens und Heilens aufzubieten, und sie wandten sich ganz den Bäumen zu. Doch Niennas Tränen halfen nicht, die tödlichen Wunden zu heilen, und lange Zeit sang Yavanna allein in den Schatten. Doch als alle Hoffnung schwand und ihr Lied erstarb, da trug Telperion zuletzt eine große silberne Blüte an einem blattlosen Ast, und Laurelin trug eine einzige goldene Frucht.
Diese nahm Yavanna; dann starben die Bäume, und ihre leblosen Stämme stehen noch in Valinor, zum Gedenken vergangenen Glücks. Die Blüte und die Frucht aber gab Yavanna Aule, und Manwe weihte sie, und Aule und seine Gehilfen schufen Gefäße, um sie darinnen zu halten und ihren Glanz zu wahren – wovon im Narsilion berichtet wird, dem Lied von Sonne und Mond. Diese Gefäße gaben die Valar Varda, damit sie Himmelslichter aus ihnen erschaffe, welche, da sie näher bei Arda stünden, die alten Sterne überglänzten; und Varda verlieh ihnen die Kraft, die unterenRegionen
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