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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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über Georgs Manuskript nachgedacht, seit Jos ihr in die Suche danach geplatzt war. Doch jetzt setzten sich die Teile des Bildes zusammen, und die Ähnlichkeit, die das alte Gesicht der Frau mit Mary Bell hatte, war ihr beinah unheimlich.
    Trudi kehrte um und nahm die Rolltreppe zur Bahn. Sie wollte nach Hause fahren. Sich um Georg kümmern. Es weitete ihr das Herz, daß Cilly Weil ihr eine Chance bot.

Das Sonnenlicht lag auf dem Tisch und brachte die alte Mooreiche fast zum Funkeln. Georg hatte das Fenster offenstehen und genoß den leichten Luftzug, der seinen Nacken streifte. Von der Straße kamen die Geräusche der spielenden Kinder. Das eines Hundes. Das einer Heckenschere. Sommergeräusche, die Georg sonst störten. Heute klang ihm alles wie das Schwingen einer Schaukel.
    Er schob den Ordner mit dem Manuskript in den dicksten Flecken Sonne, der auf den Tisch gefallen war, und beschloß, das Singende Kind für den Rest des Tages da liegen zu lassen. Er hörte Trudi in der Küche hantieren, und er hörte sie dabei singen. Ein Idyll, das zu groß zu sein schien, um auch nur einen Nachmittag lang zu halten. Georg stand auf. Er wollte die Stunde nicht versäumen. Er hatte endlich wieder Lust auf Trudi.
    Georg fühlte einen Anflug von Ärger, als er in den Flur trat und Trudi mit einem Tablett aus der Küche kommen sah, auf dem ein Krug Wasser stand und eine Flasche Pastis. Aber dann fand er zwei Gläser auf dem Tablett und einen Teller mit den kleinen dunklen Oliven, die er für ihre Festigkeit liebte und die Trudis Eltern ihm geschickt hatten, und er war wieder freundlich gestimmt.
    Trudi zögerte, das Tablett auf den Eichentisch zu stellen. Doch Georg nickte und hatte auf einmal Freude daran, nachmittags um drei Alkohol zu trinken. Er goß den Pastis in die Gläser. Viel zuviel sogar. Trudi gab das Wasser zu, und der Anis wurde milchig. Aber die Konzentration war so stark, daß der Pastis ein dunkles Gelb behielt.
    Georg spürte schon nach den ersten Schlucken einen Schwindel, der sicher eingebildet war, doch er wußte, daß er aufpassen mußte, um nicht alles zu verderben. Trudi trank gierig, als tränke sie gegen einen großen Durst an. Sie konnte den Alkohol vertragen. Eine trinkfeste Frau. Es hatte ihn immer verunsichert. Jos schätzte trinkfeste Frauen. Georg dachte, daß Jos und Trudi ein gutes Paar gäben, und lächelte. Er liebte sie beide.
    Er fing an, Trudi zu streicheln. Ihr Haar, das noch feucht war von einem Bad und das sich an der Stirn zu ganz kleinen Locken kräuselte, die aussahen wie die feinen Späne eines goldglänzenden Metalls. Ihr gerötetes Gesicht. Ihren weichen Körper, für den die weiße Bluse und der kurze schwarze Rock ein bißchen zu knapp waren. Georg knöpfte die Bluse auf, und Trudis große Brüste fielen heraus. Er beugte sich zu ihnen hinunter und küßte sie, und sie reagierten so rasch, daß es ihm schmeichelte.
    Georg hatte noch nie auf einem Tisch liegend geliebt. Selbst als er damals mit Dott auf den Speicher gegangen war, hatten sie die alte Matratze zur Unterlage genommen und lieber den Ekel ertragen. Doch jetzt stellte er das Tablett auf den Teppich. Schob die Schreibmaschine zur Seite, das Papier, den Locher, die Stifte. Legte nur das Manuskript ordentlich in das Bücherregal und bot Trudi mit großer Geste die Mooreiche an.
    Trudi war überrascht. Sie träumte von den ungewöhnlichen Plätzen und hatte es in sechs Jahren nicht zu sagen gewagt. Sie legte sich auf das blanke Holz. Schöpfte Hoffnung, daß ihr Leben sich umkehrte in ein spannendes Spiel. Die Begegnung mit Cilly Weil, und dann diese Liebe am Nachmittag. Alles wurde gut.
    Trudi lehnte noch mit dem Kopf an Georgs Schulter, und sie fühlten sich warm und entspannt und ruhten aus, als Georg das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Er richtete sich auf und sah die Frau im Fenster gegenüber, die an ihren rosaroten Vorhängen zog. Vielleicht hatte sie alles gesehen. Nicht einmal das machte ihm etwas aus. Georg kam der Gedanke, er könne ein Mann werden, der gern und oft und ungewöhnlich liebte und dabei auf Tischen lag, ohne verlegen zu sein. Die Vorstellung lockte ihn.
    Der Kater setzte Sekunden später ein. Georg floh vom Tisch und bedeckte sich und Trudi mit den lose liegenden Kleidern. Er fand, daß sie aufgelöst aussah, und trotz aller Scham stiegen noch mal Wärme und Begehren in ihm auf und gleichzeitig die Angst, er könne Trudi verlieren. Er würde es kaum überleben, sie an der Seite eines anderen

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