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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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tut mir leid.«
    Matthiessen und Erdmann waren schon einige Meter von der Haustür entfernt, als Jahn ihnen nachrief: »Ach, einen Moment noch, bitte.« Sie drehten sich zu ihm um. »Da ist noch was. Vor ein paar Wochen, da war ich bei Lüdtke wegen meines neuen Manuskripts. Dabei haben wir auch darüber gesprochen, dass meine Bücher sich nicht so toll verkaufen, und da sagte er etwas, das ich damals schon sehr seltsam fand. Aber wenn ich es mir jetzt überlege, hat es noch mal eine ganz andere Qualität. Lüdtke sagte, am besten wäre es, wenn wieder so was passieren würde wie vor vier Jahren mit dem
Nachtmaler

    Erdmann nickte. »Danke für die Information.«
     
    »Warum hast du ihn von der Angel gelassen?« wollte Erdmann von seiner Kollegin wissen, als sie Jahns Grundstück verlassen hatten. »Hast du nicht bemerkt, wie nervös er war?«
    »Natürlich habe ich das bemerkt. Aber ich möchte wissen, wohin er jetzt fährt.«
    »Aha, dann glaubst du also mittlerweile auch, dass der Herr Autor Dreck am Stecken hat?«
    »Nein, jetzt noch weniger als zuvor. Sein ganzes Verhalten … Ich glaube nicht, dass er sich so verstellen kann. Aber es könnte trotzdem interessant sein, wohin er fährt.«
    Sie rief einen der Kollegen vom Observierungsteam an und mahnte zu besonderer Aufmerksamkeit, wenn Jahn das Haus verließ. »Wir bleiben auch an ihm dran. Sagen Sie es auch den beiden, die die Rückseite beobachten.« Sie waren am Golf angekommen und setzten sich hinein. Erdmann hoffte, dass sie nicht zu lange warten mussten. »Was hältst du von der Geschichte mit Lüdtke?«
    »Er sagte ja was Ähnliches schon zu uns. Ich denke, der Kerl ist eiskalt, wenn es ums Geschäft geht.«
    »Und? Glaubst du, er hat was damit zu tun?«
    »Ich weiß es nicht, aber bei ihm würde ich es nicht ausschließen.«
    Sie konzentrierten sich auf die Einfahrt des Grundstücks, wo Jahn bald herauskommen musste.
    Er kam nicht.

XIII
    Zuvor
    Sie hatte es aufgegeben, der Frau etwas sagen zu wollen. Und auch die Frau, die schräg vor ihr an der Wand stand, war mit der Zeit ruhiger geworden. Sie hatte sich irgendwann nicht mehr gerührt, nachdem sie sich zuvor mit ihren Bewegungen immer wieder beinahe selbst stranguliert hatte. Auch ihre Versuche zu sprechen waren weniger geworden. Ab und an drückte sich noch ein Stöhnen wattig und dumpf durch das Klebeband, aber sie interessierte sich nicht mehr dafür.
    Sie hatte sich in sich selbst zurückgezogen und wollte gar nicht mehr wissen, was da draußen vor sich ging, in diesem Raum, in dieser Welt. Tief in ihr drin war es angenehm warm, es fühlte sich gut an, behaglich. Selbst die Schmerzen waren draußen geblieben, in der Albtraumwelt. Sie fühlte einfach nichts mehr. Warum war ihr früher nie aufgefallen, wie schön es war, im eigenen Inneren zu ruhen? Aber das stimmte ja gar nicht, sie kannte es, ja, doch. Es war nur schon so schrecklich lange her, dass sie es vergessen hatte. Als kleines Kind hatte sie sich oft an diesem Ort verkrochen, ganz tief in sich selbst. Nachts, wenn sie wach geworden war und Angst gehabt hatte vor Monstern und Hexen, die vielleicht in der Dunkelheit ihres Zimmers lauerten. Dann hatte sie die Decke bis über die Nase gezogen, die Augen ganz fest geschlossen und sich vorgestellt, von einem engen Kokon umgeben zu sein, den nichts und niemand durchdringen konnte. Sie hatte die Welt unterteilt in draußen, wo es kalt und gefährlich war, und drinnen, wo es warm war und schön und geborgen. Dann konnte sie einschlafen, denn sie wusste, es würde ihr nichts geschehen, solange sie sich nicht herauswagte.
    Sie hatte den Entschluss gefasst, dort drinnen zu bleiben, tief in sich selbst. Ihr Verstand hatte ihr gesagt, dass er starb, wenn sie ihn noch mal rausschickte in diesen Raum, zu den Schmerzen. Zu diesem Monster im Menschenkostüm.
    Sie würde nicht mehr zurückkehren. Sie war zufrieden, ja, sie war richtiggehend glücklich. Wie damals als kleines Mädchen. In ihrem Kokon. Ihr war nach Singen, und sie sang mit ihrer hohen Mädchenstimme:
    Der Jäger kommt gegangen
    und will die Häschen fangen
    ihr Häschen, nehmt euch nur in Acht
    ihr werdet alle umgebracht
    O Jägersmann wir lachen
    was machst du denn für Sachen
    Sieh da! Die Häschen freun sich recht
    dass deine Flinte traf so schlecht

30
    Über eine halbe Stunde hatten sie noch im Wagen gesessen und die Einfahrt von Jahns Haus beobachtet. Immer wieder hatte Matthiessen die beiden Observierungsteams angerufen und

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