Das Skript
wir gerade?«
»Bei dem Täter aus Ihrem Roman.«
»Ach ja, stimmt. Entschuldigen Sie bitte, diese Sache hat mich vollkommen aus der Fassung gebracht. Hm … Er ist ein erfolgloser Schriftsteller. Sein erster Roman ist von allen Verlagen abgelehnt worden, selbst von den kleinen. Er ist wütend, er fühlt sich verkannt und möchte die Aufmerksamkeit für sein Buch, die es seiner Meinung nach verdient hat. Ihm geht es vordergründig gar nicht darum, diese jungen Frauen zu töten. Sie sind ihm egal, er benutzt sie, also ihre Haut, nur dazu, sein Machwerk auf spektakuläre Weise in die Presse zu bekommen. Er möchte der Welt zeigen, wie sträflich man ihn und seine Kunst verkannt hat.«
»Halten Sie es für möglich, dass der gleiche Täter, der dieses Verbrechen aus Ihrem Roman
Der Nachtmaler
vor vier Jahren in Köln begangen hat, Ihnen nach Hamburg gefolgt ist?«, wollte Erdmann wissen.
»Ich weiß es nicht. Möglich ist natürlich alles, aber … es gab keine Briefe.«
»Briefe? Was für Briefe?«, fragte Matthiessen.
»Die Fanbriefe. Wissen Sie davon etwa nicht? Das muss doch in den Akten stehen. In meinen Romanen hätten die ermittelnden Beamten das sicherlich in den Akten gelesen.«
»Wir sind noch nicht dazu gekommen, uns die Unterlagen aus Köln anzusehen«, erklärte Erdmann, mittlerweile leicht verstimmt. »Außerdem ist es manchmal nützlich, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Sie als erfahrener Krimiautor wissen doch, dass es neben den vordergründigen Informationen auch immer Dinge gibt, die nicht in den Akten stehen. Was also hat es mit diesen Briefen auf sich?«
»Ich habe damals, ein paar Wochen bevor diese schreckliche Sache geschah, eine ganze Reihe von
Fanbriefen
erhalten. Jeden Tag kam ein neuer bei mir an. Der Inhalt war immer der gleiche: Dass ich der beste Krimischriftsteller bin, dass die Leute dumm sind, weil sie das noch nicht erkannt haben, dass meine Bücher ganz oben auf die Bestsellerliste gehören und so weiter und so weiter. Unterschrieben waren alle Briefe mit:
Ihr größter Fan.
Erst dachte ich mir nichts dabei, doch mit der Zeit wurde es mir unheimlich, und ich informierte die Kölner Polizei. Die konnten allerdings nicht viel tun, solange ich
nur
Briefe bekam. Irgendwann, es muss etwa vier Wochen nach dem ersten Schreiben gewesen sein, hörte es plötzlich auf. Wir dachten schon, der Spinner hätte es aufgegeben, doch nach ein paar Tagen kam ein weiterer, letzter Brief bei mir an. Der Inhalt bestand aus einem einzigen Satz:
Ich werde dafür sorgen, dass Ihre Bücher dahin kommen, wo sie hingehören.
Auch er war unterschrieben mit:
Ihr größter Fan.
Zwei Tage später fand man die Leiche der Frau. Der Täter hatte sie erst niedergeschlagen, dann erdrosselt und anschließend ihren nackten Körper komplett mit Ölfarbe bemalt. Genau wie in meinem
Nachtmaler
.«
»Was genau war mit dem Inhalt dieses letzten Briefes gemeint?«
Jahn betrachtete seine Handflächen. »Diese fürchterliche Geschichte wurde natürlich in der Presse breitgetreten. In allen Zeitungen waren die Stellen aus
Der Nachtmaler
abgedruckt, die nachgestellt worden waren.« Er machte eine kurze Pause, und weder Erdmann noch Matthiessen drängten ihn. »Sie wissen doch, wie die Leute sind. Plötzlich interessierten sich alle für das Buch, und es wurde gekauft wie verrückt. Radio- und Fernsehmoderatoren riefen bei mir an, alle wollten ein Interview mit mir. Es wurde spekuliert und gemutmaßt. Zwei Wochen nach dem Mord stand es auf Platz acht der Spiegel-Bestsellerliste, eine Woche später auf Platz zwei. Und damit wohl in etwa dort, wo mein
größter Fan
es sehen wollte.«
Matthiessen sah den Schriftsteller ungläubig an. »Dieser Verrückte hat also einen Menschen ermordet, damit Ihr Buch auf die Bestsellerliste kommt?«
»So sieht es aus, ja. Wahrlich ein großer Fan.«
»Hm …«, machte Erdmann. »Wie war das mit ihren anderen Büchern? Wenn ich richtig informiert bin, gab es zu diesem Zeitpunkt auch schon andere Bücher von Ihnen. Die haben sich doch dann sicher auch alle gut verkauft.«
Wieder ein langer Blick auf die nach oben gekehrten Handflächen. »Nun ja, nicht so gut wie
Der Nachtmaler
. Offensichtlich treffe ich den breiten Geschmack weniger, als dieser
Fan
das dachte. Wie dem auch sei,
Der Nachtmaler
verkaufte sich nach diesem Verbrechen und dem ganzen Rummel, der um das Buch gemacht wurde, sehr gut, aber viele derer, die es gekauft hatten, wollten wohl kein weiteres Buch von mir
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