Das Skript
sie in einer verlegen wirkenden Geste die Schürze über ihren Hüften glatt. »Ich habe noch was im Ofen, das verbrennt gleich. Ich würde das gerne noch erledigen, wenn Sie erlauben, dann komme ich sofort zu Ihnen.«
»Natürlich, wir warten hier.«
Erdmann nutzte die Zeit und sah sich das prall gefüllte Bücherregal an, das fast eine komplette Wand des Wohnzimmers einnahm. Moderne Romane fehlten dort fast gänzlich, dafür war aber von Heinrich von Kleist über Friedrich Nietzsche und Theodor Storm bis hin zu Rainer Maria Rilke, Thomas Mann und Max Frisch alles vertreten, was in der deutschsprachigen Literatur einen Namen hatte. Obwohl er nicht viel las, war Erdmann von dieser Sammlung doch beeindruckt. Matthiessen tippte derweil konzentriert auf ihrem Handy herum, wie Erdmann mit einem Blick feststellte.
Nach einer Viertelstunde kam Helga Jäger zurück, entschuldigte sich dafür, dass es so lange gedauert hatte, und ließ sich auf dem Sofa nieder.
»Frau Jäger, seit wann führen Sie schon den Haushalt für Herrn Jahn?«, stellte Matthiessen ohne Umwege ihre erste Frage.
»Ich habe etwa ein Jahr nachdem er nach Hamburg gekommen ist, bei ihm angefangen. Er hatte eine Stellenanzeige in die Zeitung gesetzt.«
»Wohnen Sie auch hier im Haus?«
»Ja, ich habe eine kleine Wohnung, zwei Zimmer, auf der anderen Seite.«
»Ah. Und sind Sie zufrieden? Ist er ein angenehmer Chef?«
Wieder strich sie sich über die Schürze, nun aber, da sie saß, nicht mehr an den Hüften, sondern über ihrem Schoß. »Aber ja. Ich habe wirklich keinen Grund, mich zu beschweren. Sicher, manchmal ist er schon ein bisschen launisch«, sie schmunzelte, »aber so sind doch alle Männer ab einem gewissen Alter, nicht wahr?«
Erdmann fühlte sich mit Ende dreißig nicht angesprochen. »Hat er mit Ihnen jemals über diese Sache damals in Köln gesprochen?«
»Sie meinen dieses Verbrechen, das jemand aus seinem Buch nachgemacht hat? Nein, also, darüber gesprochen wäre zu viel gesagt. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass ihn etwas quält. Kein einziges Mal habe ich ihn lachen sehen, und als ich dann ein paar Wochen bei ihm war, habe ich eines Abends all meinen Mut zusammengenommen und ihn gefragt, was um alles in der Welt ihn so furchtbar traurig macht. Das war gar nicht so einfach, immerhin hatte ich die Stellung doch gerade erst angenommen, und es hätte ja genauso gut sein können, dass er mich für neugierig hält und mich wieder wegschickt. Aber er hat mich nur traurig angesehen, und dann hat er mir erzählt, dass in Köln ein Verrückter diese Tat aus seinem Roman wirklich begangen hat. Es war schlimm für ihn, wissen Sie. Dass jemand dieses scheußliche Verbrechen verübt hat, genau so, wie er es in seinem Buch beschreibt. Es war so schlimm, dass er mit dem Schreiben aufgehört hat. Ich habe ihn danach nie wieder darauf angesprochen.«
»Nun schreibt er aber doch wieder an einem neuen Roman«, warf Erdmann ein. »Verkraftet er diese Sache mittlerweile besser? Immerhin sind seitdem ja ein paar Jahre vergangen.«
»Wenn ich ehrlich sein soll …«, sie redete nun leiser, als gäbe es jemanden im Haus, der sie vielleicht hören könnte. »Ich glaube, es ist, weil er Geld braucht. Bücher schreiben macht ihm keinen Spaß mehr. Früher hat es ihm großen Spaß gemacht, glaube ich. Jetzt nicht mehr. Aber bitte – verraten Sie ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
»Nein, keine Angst, wir werden es nicht erwähnen.« Matthiessen griff nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck.
»Sagen Sie, kennen Sie Miriam Hansen?«, fragte Erdmann. Die Haushälterin nickte und machte dabei ein Gesicht, als müsse sie über etwas Unangenehmes reden. »Ja, die kenne ich. Herr Jahn hat sie irgendwann mal zum Kaffee eingeladen, ich glaube, weil sie ihm immer wieder Mails geschrieben hat. Sie kam dann öfter her. Und in der letzten Zeit immer häufiger.«
»Was halten Sie von ihr? Mögen Sie sie?«
Helga Jäger wiegte den Kopf hin und her und zog dabei die Mundwinkel nach unten. »Nein, ich mag sie nicht so sehr. Sie sieht Herrn Jahn immer so komisch an. Ich glaube, sie ist irgendwie … ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Irgendwie total
vernarrt
in ihn.«
»Und das schließen Sie daraus, wie sie ihn ansieht?«
»Eine Frau sieht so was, Herr … entschuldigen Sie, ich habe vergessen, was Sie sind. Kommissar?«
»Oberkommissar, schon gut.«
»Ja, genau, Herr Oberkommissar, es ist ihr ganzes Verhalten. Sie versucht immer, ihn zu
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