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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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weit bist.«
    Vom Fest von Santu Vito träumte man in der Nacht. Aus den Städten und den benachbarten Regionen
kamen sie herbei. Selbst Ausländer kamen zum Fest von Santu Vito. Und das Fernsehen, sie drehten für die Abendnachrichten. Alle kamen sie, aber nicht wegen dem Santu, sondern um das Konzert der Pizzicari zu hören und die ganze Nacht zu tanzen.
    Deshalb war der Großvater ein wenig verwundert, als Lorenzo endlich den Mut fand, ihm zu sagen, dass er die Pizzica verpassen würde, und hatte gefragt, ob er Angst hatte zu spielen.
    »Nein«, antwortete Lorenzo.
    »Dann ist es das Mädchen, das lächelt wie die Sonne und dich gestern gesucht hat?«
    Lorenzo wurde rot und senkte vor Scham den Kopf.
    »Gut so«, sagte der Großvater. »Feste kommen immer wieder, aber so ein Lächeln begegnet dir nur einmal im Leben.«
    Lorenzo trocknete sich die Tränen und hörte Caterina noch einmal schreien.
    Die Kraft fehlte ihm, aber es gab etwas, das konnte er tun. Er schaute sich suchend um. Seine Augen waren so geschwollen, dass er fast nichts sah.
    Er suchte.
    Bis er sie entdeckte.
    Die Tammorra.
    Dann kroch er zwischen den Blumen entlang, Zentimeter für Zentimeter, bis er das Fahrrad erreicht hatte. Er richtete sich ein wenig auf, streckte die Hand nach dem Sattel aus und nahm die Tammorra.
    Er hob sie hoch.
    Er atmete tief durch.
    Und begann, sie zu schlagen.
    Er spielte.
    So laut er konnte.
    Er spielte.
    In der Hoffnung, dass die Musik bis ins Dorf drang, jemand sie hörte und zu Hilfe kam.
    Er spielte. Und spielte.
    Dann hörte er Schritte.
    Er spielte weiter.
    Jemand tauchte zwischen den Blumen auf. Er hatte das Gefühl, dass er näher kam. Aber er konnte nicht erkennen, wer es war.
    Er spielte weiter und lächelte vielleicht.
    Der Tritt des Fellone erwischte seine Hand und brach ihm die Finger.
    Die Tammorra flog weg, dann folgte ein weiterer Tritt, und er sank blicklos in das Grün.

Der Sperber
    »Verdammt, diese Hitze«, sagte Dummenico.
    Er zog das Hemd aus und warf es auf den Rücksitz.
    »Kann's kaum erwarten, zu Hause unter die Dusche zu springen.«
    »Du bist zu aufgedreht«, sagte der Professor.
    »Du etwa nicht?«
    »Mè, und wie.«
    »Dann lass uns nach der Dusche zur Feier des Tages ein Glas Primitivo trinken.«
    »Willst du nichts essen?«
    »Wir kaufen uns Salsiccia bei Meuccio und grillen sie unter den Sternen. Sollst mal sehen, wie der Wein dazu runtergeht.«
    »Ich krieg schon Hunger, Mimmù.«
    Der Lieferwagen bog zwischen die Olivenbäume ab und fuhr in Richtung Steigung, die zur Brücke führte.
    Plötzlich hörten sie etwas, das wie Donner klang.
    »Was war das denn, Prufessò?«
    »Schon wieder? Bist du bekloppt geworden, dass du Stimmen hörst?«
    »Und du bist taub, Prufessò, du hörst gar nichts.«
    »Wird ein Vogel gewesen sein.«
    »Klang eher wie Donner.«
    »Donner?«
    Der Professor schaute in den Himmel.
    »Mè, Mimmù, Wolken kannst du hier lange suchen.«
    »Klang aber so.«
    »Vielleicht ist dein Blutdruck zu hoch. Da bildet man sich manchmal ein, Geräusche zu hören.«
    Dummenico antwortete nicht.
    Er lehnte sich aus dem Fenster, um besser zu hören.
    Und hörte das Geräusch noch mal.
    »Von wegen mein Blutdruck, Prufessò! Das klingt nach 'nem Tamburin.«
    »Ein Tamburin? Sind wir hier in Afrika?«
    »Mach mal den Motor aus!«
    Der Professor fuhr an der Seite ran, machte den Motor aus und lauschte ebenfalls.
    »Du hast recht«, sagte er kurz darauf.
    Die Schläge waren lauter und entschiedener geworden.
    »Das klingt nach 'ner Tammorra«, fügte er hinzu.
    »Tammorra oder Tamburin, normal ist das nicht«, antwortete Dummenico.
    Und er stieg aus dem Lieferwagen.
    »Wo willst du hin?«
    »Ich will wissen, was da los ist«, sagte er und ging in Richtung Teich.
    »Sciàmmene, Mimmù, wenn die Carabinieri kommen, sind wir dran.«
    Die Tammorra verstummte plötzlich.
    »Schon vorbei.«
    Dummenico blieb stehen und lauschte, aber er hörte nichts mehr und kam zurück zum Lieferwagen.
    »Komm, lass uns verschwinden, ist besser«, drängte der Professor.
    Dummenico öffnete die Tür. Er war unsicher.
    »Mè, sonst hat Meuccio zu«, sagte der Professor.
    Dummenico stieg endlich ein. Der Professor hatte ja recht. Aber während er einstieg, sah er einen Sperber hoch am Himmel kreisen.
    Der Sperber, den er am Muntagnone gesehen hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Und auch diesmal wusste er plötzlich, was er zu tun hatte.
    Er stieg aus.
    »Mè, Mimmù, was ist los?«
    »Die Tammorra ruft

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