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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Luepkes
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Fingern, dass es ungefähr ebenso oft gewesen sein musste.
    «Und ihr habt ihm jedes Mal gesagt, dass er dort eigentlich nicht mit dem Fahrrad fahren darf.»
    Anette bestätigte: «Ich habe ihm sogar öfter mit Bußgeld gedroht. Musste ich machen, ist mein Job.»
    Das Kindermädchen legte sich die Hand an den Mund, ganz konzentrierte Aufmerksamkeit. «Und er hat es trotzdem immer wieder gemacht.»
    «Vielleicht suchte er Ärger. Solche Typen gibt es auch.»
    «Aber nicht Aurel. Er war nicht so. Wenn er trotzdem immer wieder dort gewesen ist, dann hatte er einen Grund dazu. Er wollte an einen bestimmten Ort. Mit diesem Rucksack. Das muss es sein. Und ich glaube nicht, dass er dort ein Picknick gemacht hat, das ist Quatsch.» Sie warf das lange schwarze Haar zurück und strahlte Jakob und Anette an. «Er hat dort etwas gesucht. Oder jemanden besucht. Er hat etwas dort abgeliefert.»
    «Wenn du meinst», knurrte Jakob.
    «Natürlich! Sag mal, du kennst doch die Gegend. Wer wohnt da?»
    «Die Gegend … du bist gut.» Er gab ein schnaubendes Geräusch von sich, welches ihr signalisieren sollte, wie hirnverbrannt er ihre Theorie fand. «Da sind einige Kilometer weiter kleine Ferienhaussiedlungen am Großen Meer und an der Hieve. Und sonst gammeln ein paar leer stehende Torfschuppen vor sich hin. Mehr nicht. Wen sollte er da besuchen?»
    Anivia schien sich nicht von ihrer Idee abbringen zu lassen. «Wollen wir nicht mal dorthin? Ein bisschen … hmm, spionieren?»
    «Was soll das? Ich muss außerdem gleich arbeiten.»
    «Wann hast du denn mal Zeit?»
    Er zögerte. Doch wenn diese Person schon jetzt so resolut vorgegangen war, seine Adresse herausgefunden und ihn mit ihren Fragen und Vermutungen gelöchert hatte, dann war es wahrscheinlich besser, ihrem Drängen nachzugeben. Auf diese Weise konnte er wenigstens bestimmen, wo und wann sie sich das nächste Mal über den Weg liefen. «Morgen Nachmittag …», schlug er vor.
    «Um drei Uhr?»
    «Morgen, drei Uhr», bestätigte Jakob und verschwieg dabei, dass er morgen Vormittag nach dem Vogelzählen bereits seinen Job erledigt hatte. Doch das erschien ihm für das Treffen eindeutig zu früh. Zudem hatte er da etwas anderes zu tun. Etwas, das ihn mehr beschäftigte als der Tod von Aurel Pasat.
    «Das Mädchen hat Power, Jakob, hätte ich dir gar nicht zugetraut», raunte Anette ihm leise ins Ohr, dann verschwand sie nach einem kurzen Abschiedsgruß in der Küche.
    Er räusperte sich. «Wir treffen uns beim Heikeschloot. Du kommst dorthin, wenn du durch Forlitz-Blaukirchen fährst und dann immer weiter in Richtung Loppersum einmal ums Südufer herum. Wenn du mit dem Auto kommst, pass auf, die Straßen sind eine Katastrophe. Nicht wenige haben die Gegend ohne Auspuffanlage verlassen.» Jakob wunderte sich über sich selbst. Diese detaillierte Wegbeschreibung, diese Tipps und Ratschläge. Für Anivia musste es aussehen, als freue er sich auf das «Rendezvous». In Wirklichkeit sah er in der Verabredung nur seine einzige Chance, das Mädchen und das nervende Kind für heute loszuwerden. «Und bitte lass das Baby zu Hause, ich habe keine Lust, einen Kinderbuggy durch das Moor zu schieben», setzte er möglichst unfreundlich hinzu.
    Sie strahlte. «Kein Problem, morgen hat meine Gastmutter frei.» Dann drückte sie ihm ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Wange. Er traute sich kaum zu atmen.

Im Führerhaus des Lkws brummender Motor, Zigarrenqualm, unebene Straße
    «Bis hierher und nicht weiter», sagt Onkel Casimir auf einmal. «Ich habe den Eindruck, dass mich schon einige Kollegen von der Seite her anschauen. Die kennen mich alle. Und die merken, dass etwas nicht stimmt. So etwas kann ich schlecht verbergen.»
    «Was heißt das? Muss ich hier aussteigen?»
    «Ja. Ich fahre auf den nächsten Parkplatz. Muss sowieso eine Pause machen. Und dann wirst du gehen.»
    Ich habe nach langem Hin und Her endlich eine halbwegs bequeme Position auf dem Boden gefunden, zudem war ich kurz eingenickt. Onkel Casimirs plötzliche Hektik bringt mich richtig durcheinander. «Wo sind wir denn überhaupt?»
    «Kurz vor Prag. Also bin ich sowieso bald am Ziel. Wir haben mehr Glück als Verstand gehabt. Zwei Grenzen, pah … Ich mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn die Jungs am Schlagbaum ihren Job vernünftig gemacht hätten.»
    «Ist schon gut», sage ich, aber das stimmt nicht. Nichts ist gut. Ich spüre, wie eine unbekannte Angst meinen Hals heraufkriecht. Der Kuchenbrei aus meinem

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