Das Sonnentau-Kind
für eine Schlinge um seinen Hals reichen könnte. Er verkniff sich jeglichen Kommentar.
«Und der desolate Elektrolyt-Haushalt lässt sich damit erklären, dass jemand destilliertes Wasser in die Fahrradflasche gefüllt hat. Nicht nur das, auch der Mineralwasservorrat im Zimmer wurde ausgetauscht, wie wir eben erfahren haben. Ich nehme an, jemand hat beabsichtigt, Aurel zu schwächen. Warum, kannst du dir selbst zusammenreimen.» Sie machte eine drehende Handbewegung an ihrer Schläfe, die ihn zum Nachdenken auffordern sollte. «Ach ja, wo wir gerade dabei sind: Aurel Pasat hat sich in der Apotheke illegal Antibiotika besorgt. Angeblich für die Helliger-Kinder, aber Annegret Helliger wusste nichts davon. Deswegen war ich eben …»
«… an deinem freien Tag …»
«… ja, genau, ich wäre auch lieber mit Emil im Sandkasten; aber ich war an meinem freien Tag unterwegs ins Moormuseum, um mehr über all diese merkwürdigen Zusammenhänge zu erfahren, die sich um deinen bombensicheren Selbstmord ranken. Und in der Zwischenzeit geht mein Aupair-Mädchen Anivia mit meinem Sohn durchs Leben.»
Jetzt drehte sie sich endlich ganz zu ihm um, sie nutzte den Schwung der wütenden Bewegung, um ihm mit voller Kraft die Faust auf das Autodach zu knallen. «Das stinkt mir dermaßen, Axel Sanders! Das du mir die ganze Zeit nicht geglaubt hast und ich Freizeitschnüfflerin spielen muss.» In ihrem Blick war jetzt entgegen seiner Vermutung kein einziger Funken Genugtuung zu erkennen. Sie war einfach nur stinksauer auf ihn. Und das zu Recht, wie er zugeben musste.
«Hast du denn noch mehr Erkenntnisse gewonnen? Dinge, von denen ich auch besser wüsste, damit wir ab hier und jetzt vielleicht doch gemeinsame Sache machen könnten …» Sanders konnte sich nicht erinnern, jemals so kleinlaut mit Wencke gesprochen zu haben. Doch sosehr es ihn auch Überwindung kostete, er musste es auf diese Tour versuchen, denn allem Anschein nach hatten Wenckes Ergebnisse als – wie hatte sie es eben ausgedrückt? – Freizeitschnüfflerin doch einige neue Aspekte im Fall Aurel Pasat aufgezeigt. Sie hatte alle Trümpfe in der Hand, um ihn bei den Polizeiobrigen wie einen Stümper aussehen zu lassen. Zum Glück schien sie keine Vorsätze dieser Art zu haben. «Wencke, ich bitte dich …»
Nur zögernd griff sie in die Tasche ihrer Jeansjacke und zog einen dünnen, kleinen Zettel heraus. «Das hier habe ich in Annegret Helligers Handtasche gefunden.»
Sanders verkniff sich eine Bemerkung, was in drei Teufels Namen sie vor der Spurensicherung an der Handtasche des Opfers zu suchen gehabt hatte. Er lächelte sie nur auffordernd an. «Was ist das?»
«Eine Apothekenquittung. Über einhundertzwanzig Euro, ausgegeben in der Adler-Apotheke. Ich nehme an, Annegret Helliger hat diesen Bon hier gefunden und ist so hinter diese Medikamentensache gekommen.»
«Und?»
«Auf der Rückseite ist ein Wort notiert. Ladislaus. Könnte ein rumänischer Name sein.»
«Hast du eine Erklärung dafür?»
«Nein, habe ich nicht. Aber vielleicht kann uns dieses fremde Mädchen weiterhelfen.»
«Dann fahren wir jetzt zum Revier?», fragte er und bemühte sich um einen versöhnlichen Unterton. Wencke öffnete wortlos die Autotür und setzte sich auf den Ledersitz, den Blick stur nach rechts gerichtet, als gäbe es dort immer noch etwas zu sehen. Doch das Einzige, was in dieser Richtung zu betrachten war, war der hilflose Sebastian Helliger.
Das Handy piepte, Sanders nahm das Gespräch an und erfuhr kurz und knapp von Strohtmann, dass es in Ostfriesland weit und breit keinen Dolmetscher für Rumänisch gebe, der nächste aus Oldenburg oder Münster anreisen müsse und in frühestens drei bis vier Stunden zur Verfügung stehe. Gäbe es doch nur nicht diesen verflixten Datenschutz, dachte Sanders, sonst könnte man eben mal schnell bei der Ausländerbehörde nachfragen und hätte in null Komma nix sicher eine Handvoll Rumänen, die seit einigen Jahren in Deutschland lebten und sich für diesen Zweck eigneten.
«Schon gut», sagte Sanders, beendete das Gespräch und wandte sich an den Moorkönig. «Kommen Sie mit, Herr Helliger? Es könnte sein, dass wir noch ein paar Fragen an Sie haben. Und vielleicht brauchen wir auch Ihre rumänischen Sprachkenntnisse. Meine Kollegin erzählte mir, dass Sie auf diesem Gebiet eine Hilfe sein könnten.»
Er blickte auf und nickte leicht. «Versprechen Sie sich nicht zu viel, meine Kinder sind da besser in Form … Was geschieht
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