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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Luepkes
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eigentlich mit ihnen? Die Schule müsste jeden Augenblick zu Ende sein. Was ist, wenn sie von den Nachbarn oder Mandy erfahren, was mit ihrer Mutter passiert ist?»
    «Wir könnten eine Streife vorbeischicken und die beiden nach Aurich bringen lassen», schlug Axel Sanders vor, und als er Heiligers erschreckten Gesichtsausdruck bemerkte, fügte er hinzu: «Keine Angst, die Kollegen werden ihren Kindern eine eins a Erlebnisfahrt anbieten, kein Wort von dem, was geschehen ist, nichts, was ihnen Angst einjagen könnte.»
    «Und auf dem Präsidium könnten wir Ihnen sogar eine psychologische Unterstützung anbieten, wenn Sie mit den Kindern reden …», fügte Wencke hinzu. «Gehen die beiden auf die Grundschule in der Ringstraße?»
    Helliger nickte nach kurzem Zögern. Während Axel Sanders gleich das grün-weiße Kindertaxi organisierte, schlenderte der Moorkönig mit den Händen in den Hosentaschen auf das Auto zu und nahm schließlich fast lautlos auf der Rückbank Platz.
    Axel Sanders fuhr kurz darauf los. Nicht zu schnell, wie er es sonst gern machte, sondern gemächlich, als sei er mit einem Schlachtschiff unterwegs. Langsam in die Kurven gehen, nicht zu sehr auf das Gaspedal drücken, sanft bremsen, jetzt mal halblang. Ab und zu versuchte er sich mit ein paar Sätzen, entweder aufmunternd in Helligers Richtung: «Es wird schon werden mit Ihrer Frau. Der Notarzt sagte, man hat sie noch früh genug gefunden», oder geschäftlich zu Wencke: «Hat man denn schon herausgefunden, ob diese Teresa wirklich etwas mit dem Fall in Rumänien zu tun hat?» Beide Male bekam er keine Reaktion von seinen Mitfahrern.
    Da er vermutete, dass Sebastian Helligers Schweigen im Gegensatz zu Wenckes auf eine seelische Notsituation zurückzuführen war, wagte er noch ein paar Gesprächsansätze:
    «Kennen Sie diese Teresa? Hat Ihre Frau Ihnen gegenüber schon einmal den Namen erwähnt?» – «Es ist doch zu seltsam, warum kommt sie aus dem fernen Rumänien, trifft sich mit Ihrer Frau im Museum und dann … dann das?» – «Hat Ihre Frau Ihnen denn von der heutigen Verabredung nichts erzählt?» – «Und Ihre Kinder? Haben die vielleicht noch Kontakte in ihre Heimat? Alte Verwandte und Freunde?» – «Sagt Ihnen das Wort Ladislaus etwas?» – «Kennen Sie einen Mann namens Roland Peters, er arbeitet für die Organisation Prim ặvarặ in Arad.» – «Wie lief das damals eigentlich mit der Adoption?»
    Alle Fragen liefen ins Leere, Sebastian Helliger schien ihn zwar nicht gerade zu ignorieren, doch er machte keinerlei Anstalten, zu antworten.
    Sie hatten schon längst das Ortschild von Aurich passiert, waren bereits rechts abgebogen, hielten gerade an der Kreuzung in der Nähe des Gerichts neben dem Matratzenladen, als Sebastian Helliger auf einmal, wie aus heiterem Himmel, zu erzählen begann:
    «In Deutschland hätten wir doch keine Kinder bekommen. Nach der Operation, wissen Sie, die sind ziemlich hart in der Auswahl, nehmen nur die jungen, normalen Familien.» Das Wort normalen setzte er in hörbare Anführungsstriche. «Und obwohl wir unseren Hof haben mit jeder Menge Platz zum Spielen, wir hätten keine Chance bekommen. Wie die Hausierer sind wir von Amt zu Amt geschlichen, vielleicht haben Sie die Skulptur ‹Bettler› neben der Hütte gesehen, meine Frau hat sie in dieser Zeit geschaffen. Es war Annegret so wichtig, Kinder zu haben, sie hat sich danach verzehrt, eine Mutter zu sein. Als wir dann mal einen Bericht über die rumänischen Straßenkinder gelesen haben, war uns klar, hier können wir unseren Traum ein Stück weit erfüllen und zudem zwei Kinder vor einem schlimmen Schicksal bewahren.» Sebastian Helliger machte eine kurze Pause. Die Ampel sprang endlich auf Grün, und Axel Sanders fuhr an, noch sachter als eben. Er wollte den Redefluss nicht stören.
    «Es ging alles mit rechten Dingen zu, glauben Sie mir. Auch wenn Auslandsadoptionen immer etwas leicht Kriminelles anhaftet, von wegen Kinderhandel und so, aber wir haben die richtigen Anträge gestellt und sie bewilligt bekommen, die Kinder erhielten ihre Visa, ihre Unterlagen, alles einwandfrei. Prim ặvarặ sucht die Kinder sehr sorgsam aus, es dürfen nur Waisen sein oder Fälle, in denen es für die leibliche Familie keinerlei Chancen mehr gibt. Auch Findelkinder können adoptiert werden, unseren Sohn Thorben hat man beispielsweise neben einer Parkbank gefunden, neugeboren und nackt. Henrikes Mutter hingegen starb bei einem Unfall, auf den Vater gibt es

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