Das soziale Tier
die man zum Abendessen einlädt, das Heranwachsen der eigenen Kinder miterleben, sich an einem Ort und in einer Gemeinschaft engagieren. Dem stellte er ein Leben gegenüber, das sich um seichten Firlefanz dreht – unpersönlichen Sex, nichtige Habseligkeiten, protzige Luxusartikel und ein trauriges und einsames Alter.
Es war die alte Auseinandersetzung, die Auseinandersetzung zwischen Unterwegs und Ist das Leben nicht schön? Insoweit die sozialwissenschaftliche Forschung Fragen wie diese entscheiden kann, sind die Daten auf Harolds Seite.
In den letzten Jahren haben Forscher viel Zeit damit verbracht, herauszufinden, was Menschen glücklich macht. Sie taten dies hauptsächlich dadurch, dass sie Menschen fragten, ob sie glücklich seien, und anschließend deren Antworten mit unterschiedlichen Merkmalen ihrer Lebensweise in Verbindung brachten. Die Methode wirkt primitiv, aber sie fördert erstaunlich stabile und verlässliche Ergebnisse zutage.
Als Erstes fanden sie heraus, dass zwischen Geld und Glück eine komplexe Beziehung besteht. Reichere Länder sind im Allgemeinen glücklichere Länder, und reichere Menschen sind im Allgemeinen glücklicher als ärmere Menschen, aber der Zusammenhang ist nicht besonders stark; er hängt davon ab, wie man Glück definiert, und er wird von Experten sehr kontrovers diskutiert. Wie Carol Graham in ihrem Buch Happiness Around the World schreibt, stufen sich Nigerianer als genauso glücklich ein wie Japaner, obwohl das Pro-Kopf-Einkommen in Japan fast 25 Mal höher ist. Prozentual gesehen, geben doppelt so viele Bangladescher wie Russen an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. In den Vereinigten Staaten ist der Lebensstandard in den letzten 50 Jahren drastisch gestiegen, aber das hat nicht zu einem messbaren Anstieg des allgemeinen Glücksniveaus geführt. Allerdings hat die Ungleichheit in den Vereinigten Staaten stark zugenommen. Diese Ungleichheit scheint das Nationalglück hingegen auch nicht verringert zu haben, nicht einmal unter den Armen. 12
Ein Lotteriegewinn führt kurzfristig zu einem starken Anstieg des Glücksgefühls, aber langfristige Folgen sind nicht messbar. 13 Der Zugewinn an Glück, der mit dem Aufstieg von der Unter- in die Mittelschicht verbunden ist, ist größer als der Zugewinn beim Aufstieg von der Mittel- in die Oberschicht; die Glückskurve flacht sich also ab. Nicht im mittleren Lebensalter, der Phase der größten Karrieresprünge, sind die Menschen am glücklichsten, sondern in ihren Zwanzigern und ihren Sechzigern, wenn sie frisch ins Arbeitsleben einsteigen beziehungsweise gerade in den Ruhestand getreten sind. Menschen, die sehr großen Wert auf materiellen Wohlstand legen, sind unzufriedener als Menschen, die das nicht tun.
Der nächste klare Befund aus der wissenschaftlichen Forschung besteht darin, dass Menschen recht schlecht darin sind, zu beurteilen, was sie glücklich macht. Sie neigen dazu, Arbeit, Geld und Immobilien enorm überzubewerten. Hingegen unterschätzen sie die Bedeutung enger persönlicher Beziehungen und schwieriger Herausforderungen erheblich. Die durchschnittlichen Amerikaner sagen, wenn sie nur 90 000 Dollar mehr pro Jahr verdienten, könnten sie »all ihre Träume verwirklichen«. 14 Aber die empirischen Befunde sagen etwas anderes.
Während die Beziehung zwischen Geld und Glück komplex ist, ist es die Beziehung zwischen sozialen Bindungen und Glück nicht. Je tiefer die Beziehungen eines Menschen sind, umso glücklicher ist er. Menschen, die in langjährigen Partnerschaften leben, sind viel glücklicher als Singles. 15 Laut einer Studie wirft eine Ehe für die Partner den gleichen »seelischen Gewinn« ab wie ein Jahreseinkommen von 100 000 Dollar. 16 Nach einer anderen Studie erzeugt der Eintritt in eine Gruppe, auch wenn sie sich nur ein Mal pro Monat trifft, den gleichen Zugewinn an Zufriedenheit wie die Verdopplung des Einkommens. 17
Menschen, die in einem Jahr einen festen Sexualpartner haben, sind glücklicher als Menschen, die in einem Jahr mehrere Partner haben. 18 Menschen, die mehr Freunde haben, haben weniger Stress und leben länger. 19 Menschen, die aus sich herausgehen, sind glücklicher als in sich gekehrte Menschen. Laut einer Studie von Daniel Kahneman, Alan B. Krueger, David Schkade u.a. sind die täglichen Aktivitäten, die am stärksten mit Glück assoziiert sind, alle sozialer Natur – Sex, sich nach der Arbeit mit anderen treffen, mit Freunden zusammen essen –, während die tägliche
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