Das soziale Tier
Aktivität, die dem Glück am abträglichsten ist – das Pendeln zur Arbeit –, im Allgemeinen allein ausgeführt wird. 20 Die Berufe, die am stärksten mit Glück verbunden sind, sind ausnahmslos solche mit hoher sozialer Kontaktintensität (Manager, Friseur, Arzt, Therapeut oder Pfleger), während jene Berufe, die am wenigsten glücklich machen, entweder auf perverse Weise sozial sind (Prostituierte) oder kaum sozial (die Bedienung von Maschinen). 21
Roy Baumeister fasst den Forschungsstand zusammen: »Ob jemand in ein Netzwerk stabiler Beziehungen eingebunden oder allein ist, sagt das Glück des Betreffenden viel zuverlässiger vorher als jeder andere objektive Prädiktor.« 22
Die Frage, wie man leben solle, entwickelte sich zu einer lebenslangen Diskussion zwischen den beiden. Mark zitierte aus Filmen und Rocksongs, die Freiheit und Ungebundenheit priesen. Harold meinte, all diese Filme und Liedtexte seien nur Marketingstrategien für Jugendliche. Erwachsene sollten zwei Dinge im Leben wollen, fuhr er fort, und diese beiden Dinge wolle auch er verwirklichen: Erstens wollte er eine glückliche Ehe führen. Wenn man glücklich verheiratet ist, spielt es keine Rolle, wie viele berufliche Rückschläge man erleidet, da einem die Ehe immer ein Mindestmaß an Geborgenheit und Glück vermittelt. Wenn man unglücklich verheiratet ist, spielt es keine Rolle, wie erfolgreich man in seiner Karriere ist, da man in zentraler Hinsicht unerfüllt bleibt.
Dann, so fuhr Harold fort, wolle er irgendeine Beschäftigung finden, entweder eine Arbeit oder ein Hobby, wo er all seine Fähigkeiten ausleben könne. Er stellte sich vor, wie er auf diesem Gebiet richtig hart arbeiten würde, Rückschläge und Frustrationen erleiden und schließlich erleben würde, dass Fleiß und Plackerei zu Erfolg und Anerkennung führten.
Er wusste, dass diese beiden Vorhaben einander widerstritten. Wenn er heiratete, könnte er seiner Berufung vielleicht nicht so viel Zeit widmen, wie wenn er unverheiratet bliebe, und seine Berufung ließe ihm vielleicht weniger Zeit für seine Freunde. Er hatte keine Ahnung, wie er da den goldenen Mittelweg finden sollte, aber dies waren nun mal seine Wünsche, und keiner davon war mit jenem ungebundenen Wandervogelleben vereinbar, das Mark vorschwebte. Harold war in einer Kultur aufgewachsen, die seit 40 Jahren das Hohelied des unbeugsamen Individualismus, der Selbstverwirklichung und der persönlichen Befreiung gesungen hatte, doch er spürte, dass er mehr Gemeinschaft, mehr soziale Einbindung und mehr wechselseitige Durchdringung brauchte. Allein konnte er nicht das Beste aus sich herausholen. Das konnte er nur zusammen mit anderen.
Erica
Das Leben ist voller merkwürdiger Koinzidenzen. Man sucht monatelang nach einem guten Job, und dann bekommt man an einem Tag plötzlich zwei interessante Angebote auf einmal. Man suchte jahrelang nach einem seelenverwandten Partner, und dann fühlt man sich plötzlich zu zwei Menschen gleichzeitig hingezogen. Einen Tag, nachdem Harold mit Mark diskutiert und einen Lebensweg für sich selbst ausgeschlossen hatte, war er plötzlich mit einem weiteren Angebot konfrontiert. Ein anderer Lebensweg tat sich vor ihm auf.
Er kam in der Form einer E-Mail. Es war eine Einladung zum Mittagessen. Sie kam von einer Frau namens Erica, der Freundin einer Freundin. Sie schrieb, sie suche jemanden, der ihr beim Aufbau ihrer Firma helfe, und sie habe gehört, dass er vielleicht genau der Richtige dafür sei. Er recherchierte auf Facebook über sie und sah dort eine zierliche, attraktive Frau latino-asiatischer Herkunft. Harold wusste nicht, ob er mit ihr arbeiten wollte, aber er hatte nichts dagegen, sie kennenzulernen. So schrieb er Erica zurück, dass er ihre Einladung sehr gern annehme. Er gab vor, sich für die Stelle zu interessieren, doch in seinem Kopf schwirrten schon alle möglichen romantischen Fantasien herum.
Kapitel 13 Verliebtheit
Harold und Erica trafen sich zum ersten Mal in einem Starbucks, wo Erica ein Vorstellungsgespräch arrangiert hatte. Sie stellte sicher, dass sie vor ihm da war, sodass sie die Rolle der Gastgeberin übernehmen konnte. Harold trug einen Anzug, aber dazu einen Rucksack, was ihr missfiel. Auf dem Tisch stand ein Kaffee für ihn bereit; er setzte sich zu ihr und stellte sich vor. Er machte einen lebhaften, angenehmen Eindruck, auch wenn seine Umgangsformen für ihren Geschmack etwas zu salopp waren.
»Lassen Sie uns nachher plaudern«, schnitt ihm
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