Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
natürlich nicht ?«
»Sylvia, bitte«, sagte ich gereizt. »Wie könnte es? Ich werde allein bleiben.«
»Aber das weißt du doch gar nicht, Tristan«, sagte sie. »Und das solltest du auch nie sagen. Jemand könnte kommen und …«
Ich sprang auf und blies mir warme Luft in die geballten Fäuste, die ganz kalt geworden waren. Ich war dieses Gespräch leid. Ich wollte nicht von ihr gedemütigt werden.
»Ich glaube, ich muss allmählich weiter«, sagte ich.
»Ja, verstehe«, sagte sie und erhob sich ebenfalls. »Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt.«
»Nein. Ich muss nur langsam in den Laden und dann zurück zu mir. Ich hab noch jede Menge zu tun, bevor es morgen losgeht.«
»Verstehe«, sagte sie noch einmal, beugte sich vor und gab mir einen leichten Kuss auf die Wange. »Pass auf dich auf, Tristan«, sagte sie. »Und überlebe, hörst du?«
Ich lächelte und nickte. Es gefiel mir, wie sie es ausdrückte. Ich drehte den Kopf und blickte die Straße zur Metzgerei meines Vaters hinunter, sah einen alten bekannten Kunden mit einer Tüte Fleisch herauskommen.
»Okay«, sagte ich. »Wird schon schiefgehen. Ich hoffe, dass sich wenigstens einer von den dreien freut, mich zu sehen.« Ich bemerkte, wie ein Schatten über ihr Gesicht fiel, als ich das sagte. Einen Moment lang schien sie verwirrt, dann voller Verständnis, ja, und Schrecken. Das Lächeln wich aus meinem Gesicht. »Was?«, fragte ich. »Was ist denn?«
» Von den dreien?«, wiederholte sie meine Worte. »Ach, Tristan«, seufzte sie und zog mich völlig unerwartet an sich, was eine Erinnerung an jenen Nachmittag unter der Kastanie in mir wachrief, als sie mich geküsst und ich so getan hatte, als liebte ich sie.
Es waren keine Kunden in der Metzgerei und niemand hinter der Ladentheke. Eigentlich hätte mein Magen verrückt spielen müssen, aber ich fühlte nichts. Eine Art von Befreiung vielleicht, wenn überhaupt. Ich erkannte die Gerüche gleich wieder, Fleisch, Blut und Desinfektionsreiniger bildeten eine saure Mischung, die mich tief zurück in meine Kindheit trug. Einen Moment lang schloss ich die Augen und sah mich als Jungen die Hintertreppe hinunterlaufen, montagmorgens, wenn Mr Gardener mit den Tierhälften kam, die mein Vater über die Woche verarbeiten und an seine Kunden verkaufen würde, nie etwas verschwendend, niemals kleinlich mit den Gewichten. Und aus ebendiesem Kühlraum trat er jetzt, eine Schale Schweinekoteletts in den Händen, während ich meiner Erinnerung nachhing. Die Tür schloss er mit der Schulter.
Hinter der Theke, weit außerhalb der Reichweite der Kunden, konnte ich seine schöne Sammlung Ausbein- und Aufschneidemesser sehen, aber ich drehte mich weg von ihnen, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen.
»Einen kleinen Moment, Sir«, sagte er, ohne richtig aufzublicken, während er die Glasabdeckung der Kühlvitrine vor sich öffnete und die Schale darin platzierte. Er zögerte einen winzigen Moment, die Schale schwebte in der Luft, und schon schloss er die Abdeckung wieder, sah auf, stützte sich kurz ab, schluckte und schien, das muss ich ihm zugutehalten, keine Worte zu haben.
Wir sahen einander an. Ich suchte sein Gesicht nach Anzeichen von Reue ab, nach etwas, das von Scham zeugen mochte, und eine Sekunde lang glaubte ich, fündig geworden zu sein. Aber schon war, was ich entdeckt zu haben glaubte, wieder verschwunden, ersetzt durch Kälte, Abscheu und den Widerwillen vor dem Gedanken, dass eine Kreatur wie ich von seinem Körper hervorgebracht worden sein konnte.
»Ich fahre morgen nach Aldershot«, erklärte ich ihm. »Dort habe ich neun Wochen Grundausbildung, dann geht es los. Ich dachte, ihr solltet es wissen.«
»Ich hatte angenommen, du wärst schon drüben«, antwortete er, nahm einen mit Blut befleckten Lappen von der Theke und wischte sich die Hände damit ab. »Oder wolltest du nicht?«
»Ich durfte wegen meines Alters nicht«, sagte ich und spürte seinen Wunsch, mir wehzutun.
»Wie alt bist du denn jetzt?«
»Siebzehn«, sagte ich. »Ich habe sie belogen. Ich habe gesagt, ich sei achtzehn, und sie haben mich genommen.«
Er bedachte das und nickte mit dem Kopf. »Nun, ich weiß nicht, warum du denkst, das könnte mich interessieren, aber vielleicht lohnt es ja, das zu wissen«, sagte er. »Wenn du also nicht noch etwas Hackfleisch willst oder …«
»Warum habt ihr’s mir nicht gesagt?«, fragte ich ihn und gab mir alle Mühe, meine Stimme ruhig zu halten.
»Dir gesagt?«, fragte er und
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