Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Unterschlupf zurück und kann tatsächlich etwas schlafen, aber als ich aufwache – die Sonne macht sich gerade daran unterzugehen –, spüre ich ein starkes, unkontrollierbares Zittern. Mein Körper wird von Krämpfen geschüttelt. Zwar ist mir hier in Frankreich schon seit Wochen kalt, doch dies jetzt ist etwas völlig anderes. Ich habe das Gefühl, ich hätte Tage in einer Schneewehe gelegen und der Frost wäre mir bis tief in die Knochen gedrungen. Robinson findet mich und schreckt bei meinem Anblick zurück.
»Lieber Gott«, höre ich ihn sagen, dann hebt er die Stimme und ruft: »Sparks, komm mal her und sieh dir das an!«
Einen Moment lang herrscht Stille, und nun nehme ich eine zweite Stimme wahr.
»Dessen Uhr ist abgelaufen.«
»Ich habe ihn erst vor einer Stunde gesehen. Da schien er noch in Ordnung.«
»Sieh dir seine Farbe an. Der erlebt den Sonnenaufgang nicht mehr.«
Bald darauf werde ich ins Sanitätszelt gebracht und liege seit ich weiß nicht wie langer Zeit zum ersten Mal wieder auf einem Feldbett. Ich bin in warme Decken gehüllt, eine Kompresse liegt auf meiner Stirn, und in meinem Arm steckt ein provisorischer Tropf.
Ich treibe durch ein Meer aus Bewusstlosigkeit, wache auf und sehe meine Schwester Laura, die sich über mich beugt und mich mit etwas Warmem, Süßem füttert.
»Hallo, Tristan«, sagt sie.
»Du«, antworte ich, doch bevor ich das Gespräch fortführen kann, löst sich ihr hübsches Gesicht auf und wird zur groben, unrasierten Visage eines Sanitäters, dessen Augen so tief in seinen Schädel gesunken sind, dass er aussieht wie ein wandelnder Toter. Ich verliere erneut das Bewusstsein, und als ich endlich wieder zu mir komme, sehe ich einen Arzt über mir, und neben ihm, unfähig, seinen Ärger zu kontrollieren, Sergeant Clayton.
»Mit dem können Sie nichts anfangen«, sagt der Arzt, überprüft die Flüssigkeit in meinem Tropf und klopft mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Schlauch. »Im Augenblick jedenfalls noch nicht. Das Beste wäre, ihn zur Erholung nach Hause zu schicken. Für einen Monat oder so, mehr nicht. Dann kann er zurückkommen.«
»Herrgott noch mal, Mann. Wenn er sich erholen kann, geht das auch hier«, sagt Clayton. »Ich schicke keinen Mann zurück nach England, damit er sich dort ins Bett legt.«
»Wir haben ihn seit fast einer Woche hier, Sir. Wir brauchen das Bett. Wenn er nach Hause …«
»Haben Sie mich nicht gehört, Doktor? Ich sagte, ich werde Sadler nicht nach Hause schicken. Sie sagen selbst, dass er auf dem Weg der Besserung zu sein scheint.«
»Es geht ihm besser, aber er ist noch nicht wiederhergestellt. Auf jeden Fall noch nicht ganz. Hören Sie, ich unterschreibe Ihnen gerne alle Papiere für die Überführung, wenn es das ist, was Ihnen auf der Seele liegt.«
»Diesem Mann«, sagt Clayton, und ich fühle, wie er hart mit der Faust auf die Decke schlägt und dabei meinen Fuß trifft, »diesem Mann fehlt nichts im Vergleich zu denen, die bereits ihr Leben gelassen haben. Er bleibt vorläufig hier. Geben Sie ihm zu essen und zu trinken und bringen Sie ihn wieder auf die Beine. Und dann schicken Sie ihn mir zurück. Haben wir uns verstanden?«
Es folgt ein langes Schweigen, das der Arzt schließlich mit einem, wie ich es interpretiere, frustrierten Nicken beendet. »Verstanden, Sir.«
Ich drehe meinen Kopf auf dem Kissen. Die Aussicht auf eine Heimkehr ist einen Moment lang vor mich hin gehalten und gleich wieder weggerissen worden. Ich schließe die Augen, treibe davon und beginne mich zu fragen, ob das alles wirklich geschehen ist. Vielleicht ist es nur ein Traum, aus dem ich gerade erwache. Das Gefühl von Verwirrung und Losgelöstheit bleibt fast den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht über bestehen, aber als ich am nächsten Morgen aufwache und den Regen auf das Zeltdach prasseln höre, unter dem wir Kranken und Verletzten liegen, spüre ich, wie sich der Nebel langsam lichtet, und ich weiß, was immer mit mir nicht gestimmt hat, wird besser, wenn ich nicht gar schon geheilt bin.
»Mund auf, Sadler«, sagt der Arzt und steckt mir ein Thermometer zwischen die Lippen. Während er auf das Ergebnis wartet, schiebt er eine Hand unter die Decke und sucht meinen Puls, der, wie ich hoffe, in einem stetigen Rhythmus schlägt. »Sie sehen besser aus. Wenigstens haben Sie wieder etwas Farbe im Gesicht.«
»Wie lange bin ich schon hier?«, frage ich.
»Heute wird es eine Woche.«
Ich atme aus und schüttele überrascht
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