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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Junge hat auch einen Vornamen, wie? Ich wusste doch, dass Sie beide Freunde waren.«
    »Wir hatten im Ausbildungslager benachbarte Pritschen, wie ich Ihnen schon sagte. Hören Sie, verraten Sie mir jetzt, was mit ihm geschehen wird, oder nicht?«
    »Ganz ruhig, Sadler«, sagt Wells betont langsam. »Denken Sie daran, wen Sie vor sich haben.«
    »Es tut mir leid, Sir«, erwidere ich und fahre mir mit der Hand über die Augen. »Ich möchte es nur wissen, das ist alles. Wir können es uns nicht … wir können es uns nicht erlauben, noch einen Mann zu verlieren. Das Regiment …«, sage ich halbherzig.
    »Nein, sicher nicht. Nun, der Sergeant hat ihm erklärt, dass ihm keine Wahl bleibe, er müsse kämpfen, und Bancroft verkündete daraufhin, er glaube nicht länger an den moralischen Kern dieses Krieges, sondern habe das Gefühl, die Armee wende Taktiken an, die dem Wohle der Allgemeinheit und den Gesetzen Gottes widersprächen. Hat Bancroft eigentlich früher schon Anzeichen religiösen Eifers gezeigt, Sadler? Ich frage mich, ob da eine Erklärung für seine plötzlichen Gewissensbisse liegen könnte.«
    »Sein Vater ist Priester«, sage ich. »Obwohl Bancroft kaum was in dieser Richtung hat verlauten lassen.«
    »Helfen würde es ihm sowieso nicht. Sergeant Clayton hat ihm erklärt, dass er sich hier draußen nicht als Verweigerer aus Gewissensgründen registrieren lassen kann. Für solchen Unsinn ist es zu spät. Es fängt schon damit an, dass wir hier nicht die Tribunale haben, die ihn anhören könnten. Nein, er hat gewusst, wozu er sich verpflichtet, und wenn er sich jetzt plötzlich weigert zu kämpfen, bleibt uns keine Alternative. Sie wissen, was das bedeutet, Sadler. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was wir mit Verweigerern machen.«
    Ich schlucke und spüre, wie mir das Herz bis zum Hals schlägt. »Sie schicken ihn doch nicht über die Sandsäcke?«, frage ich. »Als Bahrenträger?«
    »Das hatten wir eigentlich vor«, sagt Wells und zuckt mit den Schultern, als wäre es etwas ganz Normales. »Aber nein, das will er auch nicht. Bancroft macht keine halben Sachen, verstehen Sie. Er hat sich zum Absolutisten erklärt.«
    »Zum – was, bitte?«
    »Zum Absolutisten«, wiederholt er. »Der Begriff sagt Ihnen nichts?«
    »Nein, Sir.«
    »Das geht einen Schritt weiter als die Verweigerung aus Gewissensgründen«, erklärt Wells mir. »Die meisten dieser Leute setzen sich gegen das Kämpfen zur Wehr, das Töten und so weiter, sind aber bereit, auf andere Weise zu helfen, mit Dingen, die ihnen humanitärer erscheinen. Sie arbeiten in Lazaretten, im Hauptquartier, wo auch immer. Ich meine, das ist natürlich schrecklich feige, aber sie tun zumindest etwas, während der Rest von uns Kopf und Kragen riskiert.«
    »Und ein Absolutist?«, frage ich.
    »Nun, der befindet sich ganz am Ende des Spektrums, Sadler. Der will rein gar nichts tun, was den Krieg befördert. Will weder kämpfen und noch denen helfen, die kämpfen, will nicht im Lazarett arbeiten und auch nicht den Verwundeten zu Hilfe kommen. Will eigentlich gar nichts tun, sondern nur die Hände in den Schoß legen und beklagen, dass das Ganze eine einzige Heuchelei ist. Das ist wirklich das Allerletzte, Sadler. Das ist Feigheit in ihrer extremsten Form.«
    »Will ist kein Feigling«, sage ich ruhig und spüre, wie sich meine Hände unter dem Tisch zu Fäusten ballen.
    »O doch, das ist er«, sagt Wells. »Schlimmer geht es nicht. Aber wie dem auch sei, er hat sich zum Absolutisten erklärt, und damit bleibt nur noch zu entscheiden, was mit ihm geschehen soll.«
    »Wo ist er jetzt?«, frage ich. »Haben sie ihn zurück nach England geschickt?«
    »Damit er’s da leichter hat? Das möchte ich doch nicht annehmen.«
    »Ich meine, wenn, käme er da ins Gefängnis«, sage ich. »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das leicht sein soll.«
    »Wirklich nicht, Sadler?«, fragt Wells zweifelnd. »Überlegen Sie sich das noch mal, wenn Sie bei unserem nächsten Ausfall auf dem Bauch durchs Niemandsland kriechen und die Kugeln fliegen Ihnen nur so um die Ohren und Sie fragen sich, wann es Sie so erwischen wird wie Martin Moody. Ich denke, dann würden Sie lieber ein paar Jahre in Strangeways genießen.«
    »Dann ist er also da?«, frage ich, und der Gedanke, dass ich Will vielleicht nicht wiedersehe, dass er und ich als Feinde auseinandergegangen sind und ich womöglich sterbe, bevor wir uns versöhnen können, ganz so, wie es mit Peter Wallis gekommen ist,

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