Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
nobel«, sage ich. »Wäre ich auch eingeladen?«
    »Ganz sicher nicht. Wir lassen nur die höheren Ränge der Gesellschaft in unser Haus. Wie du weißt, ist mein Vater Priester, da hat er eine gewisse Stellung zu wahren, wir können also nicht irgendeinen Soundso durch die Tür lassen.«
    »Dann würde ich wohl draußen warten«, verkünde ich. »Und Wache stehen, so wie wir es hier tun. Das würde uns an diese miese Kaserne erinnern. Ich würde keinen hineinlassen.«
    Er lacht, sagt aber nichts, und ich frage mich, ob meine Bemerkung in seinen Ohren wohl etwas überdreht geklungen hat.
    »Eine gibt’s, die du auf jeden Fall durchlassen müsstest«, sagt er kurz darauf.
    »Ach ja? Und wer wäre das?«
    »Wieso? Eleanor natürlich.«
    »Ich dachte, deine Schwester heißt Marian?«
    »So ist es«, sagt er. »Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
    »Nein, ich meine doch nur …«, fange ich an und bin verwirrt. »Also, sag schon, wer ist Eleanor, wenn sie nicht deine Schwester ist? Jemand aus der Familie Labrador oder so?«
    »Nein, Tristan«, sagt er und lacht. »Nichts in der Art. Eleanor ist meine Verlobte. Habe ich dir noch nicht von ihr erzählt?«
    Ich starre ihn an. Ich weiß genau, dass er sie bisher mit keinem einzigen Wort erwähnt hat, und er weiß es auch. Er scheint es mit Absicht hervorzuheben.
    »Deine Verlobte?«, frage ich. »Du wirst also heiraten?«
    »Nun, wenn man so will«, sagt er, und ich glaube, ich kann Verlegenheit, vielleicht sogar Bedauern, in seiner Stimme hören, bin mir aber nicht sicher, ob es wirklich so ist oder ob ich es mir nur einbilde. »Ich meine, wir sind schon ewig zusammen, und wir haben auch schon übers Heiraten gesprochen. Ihre Familie kommt sehr gut mit meiner aus, weißt du, und ich nehme an, irgendwie war es immer schon so gedacht. Sie ist ein tolles Mädchen, und gar nicht konventionell, wenn du verstehst, was ich meine. Konventionelle Mädchen ertrage ich nicht. Wie ist das bei dir?«
    »Nein«, sage ich, bohre mit der Spitze meines Stiefels im Schmutz, forme einen kleinen Trichter und stelle mir vor, dass es Eleanors Kopf ist. »Nein, da dreht es mir den Magen um.«
    Ich bin nicht sicher, was er meint, wenn er sagt, dass sie nicht konventionell ist. Es scheint mir ein ungewöhnlicher Gebrauch des Begriffs, aber dann muss ich daran denken, wie er gesagt hat, dass er fürchterlich schnarcht, und plötzlich springt mich das Wort wie eine Schlange an, und ich verstehe genau, was er meint.
    »Wenn das alles hier vorbei ist, stelle ich sie dir vor«, sagt er etwas später. »Du magst sie bestimmt.«
    »Ganz bestimmt«, sage ich und blase mir jetzt auch in die Hände. »Bestimmt ist sie ein absoluter Traum.«
    Er zögert einen Moment und fragt dann: »Und was soll das jetzt heißen?«
    »Was?«
    »Was du gerade gesagt hast: Bestimmt ist sie ein absoluter Traum.«
    »Ach, hör nicht auf das, was ich sage.« Ich schüttele wütend den Kopf. »Mir ist einfach fürchterlich kalt. Dir nicht, Bancroft? Ich glaube, mit diesen neuen Uniformen ist es auch nicht weit her.«
    »Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht so nennen«, fährt er mich an. »Ich mag das nicht.«
    »Entschuldige, Will«, korrigiere ich mich.
    Eine unangenehme Spannung macht sich zwischen uns breit, und fünf, vielleicht zehn Minuten sagen wir beide nichts. Ich zermartere mir das Gehirn nach irgendwelchen passenden Worten, aber mir will nichts einfallen. Der Gedanke, dass Will und dieses elende Flittchen Eleanor eine Beziehung haben und sich schon wer weiß wie lange kennen, quält mich, und ich will einfach nur ins Bett, den Kopf im Kissen vergraben und möglichst schnell einschlafen. Ich habe keine Ahnung, was Will gerade denkt, aber so still, wie er ist, stelle ich mir vor, dass auch er sich unwohl fühlt, und dann versuche ich zu überlegen, warum das so sein könnte, wobei ich den Gedanken gleichzeitig lieber nicht denken möchte.
    »Hast du denn keine Freundin zu Hause?«, fragt er mich endlich, und die Worte klingen so, als seien sie freundlich gemeint, kommen aber ganz und gar nicht so aus ihm heraus.
    »Du weißt, dass ich keine Freundin habe«, sage ich kalt.
    »Woher soll ich das denn wissen? Du hast nie was in der Richtung gesagt.«
    »Weil ich es dir dann sicher schon erzählt hätte.«
    »Ich habe dir schließlich auch nicht von Eleanor erzählt«, kontert er. »Wenigstens behauptest du das.«
    »Hast du nicht.«
    »Ich mag einfach nicht daran denken, wie sie allein da oben in Norwich

Weitere Kostenlose Bücher