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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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und ich habe versucht, ihm zu helfen. Ich schrieb ihm, was ich wusste, und dann wart ihr alle in Frankreich, und sein Ton veränderte sich noch mehr. Und dann … nun, Sie wissen, was dann passiert ist.«
    Ich nickte und seufzte, und wir saßen lange still da und hingen unseren unterschiedlichen Erinnerungen an ihren Bruder nach, meinen Freund.
    »Und hat er … noch mehr über mich geschrieben?«, fragte ich schließlich, als ich spürte, dass unser Gespräch über seine Briefe sein Ende gefunden hatte und sich mir womöglich nie wieder die Chance bieten würde, diese Frage zu stellen, aber, o Gott, ich musste es wissen. Ich musste wissen, was er gefühlt hatte.
    »Es tut mir leid, Tristan«, sagte sie und sah mich ein wenig betreten an. »Ich muss Ihnen da etwas Schreckliches sagen. Ich meine, vielleicht sollte ich es nicht tun. Ich weiß es nicht.«
    »Bitte«, sagte ich und drängte sie weiterzusprechen.
    »In seinen Briefen aus Aldershot hatten Sie so viel Platz eingenommen. Will hatte von all den Dingen erzählt, die Sie zusammen machten, und Sie kamen mir vor wie zwei spitzbübische Kinder, wenn ich ehrlich bin, mit all Ihren Scherzen und Albereien. Ich dachte, dass er ganz schön, nun ja, vernarrt in Sie sei, so grotesk das auch klingen mag. Ich weiß noch, wie ich einmal beim Lesen dachte: Lieber Gott, höre ich denn wieder nur, was Tristan Sadler heute oder gestern gesagt oder getan hat ? Sie waren für ihn wirklich das Allergrößte.«
    Ich sah sie an und versuchte zu lächeln, spürte aber, wie mein Gesicht stattdessen vor Schmerz erstarrte, und hoffte, dass es ihr nicht auffiel.
    »Und dann schrieb er, dass ihr verschifft worden wärt«, fuhr sie fort. »Und die Sache ist, dass er Sie vom ersten Brief nach Aldershot an nie wieder erwähnt hat. Und eine Weile lang wollte ich ihn nicht fragen, warum.«
    »Warum hätten Sie ihn auch fragen sollen?«, sagte ich. »Schließlich kannten Sie mich doch gar nicht.«
    »Ja, aber …« Und jetzt hielt sie einen Moment inne und seufzte, bevor sie mich ansah, als laste ein Geheimnis auf ihr, das kaum zu ertragen war. »Tristan, das wird sich jetzt sehr merkwürdig anhören, aber ich habe das Gefühl, ich sollte es Ihnen sagen. Schließen Sie daraus, was Sie wollen. Es ist so … Ich schrieb Ihnen ja schon, dass mich Ihr erster Brief sehr aufgewühlt hat. Ich dachte, ich müsste etwas falsch verstanden haben, und ich habe gleich Wills Briefe wieder hervorgeholt, aber es steht da eindeutig, und ich kann mir nur vorstellen, dass er aus irgendeinem Grund fürchterlich verwirrt war oder Ihren Namen geschrieben hat, obwohl er einen anderen meinte. Die ganze Sache ist äußerst merkwürdig.«
    »Es war nicht leicht da draußen«, sagte ich. »Wenn die Männer in den Gräben Briefe schrieben, ich meine, oft hatten wir kaum Zeit, oder es fehlte an Papier oder Stiften. Und über die Frage, ob die Briefe überhaupt ankamen, dachten wir lieber gar nicht erst nach. All die Zeit und die Kraft, die es kostete, für nichts.«
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Allerdings glaube ich, dass Wills Briefe fast alle durchgekommen sind, ganz sicher die aus den ersten Monaten in Frankreich. Ich bekam fast jede Woche einen und kann mir wirklich nicht vorstellen, dass er noch mehr Zeit zum Schreiben gehabt hat. Er erzählte mir also, was geschah, wobei er versuchte, mir die schlimmsten Dinge zu ersparen, um mich nicht zu sehr zu ängstigen – und, nun, weil Sie so eine eigene Person in meinem Kopf geworden waren und einen so großen Teil in seinen früheren Briefen eingenommen hatten, nahm ich schließlich meinen Mut zusammen und fragte ihn, was mit Ihnen geschehen sei. Ob man Sie an denselben Ort geschickt habe wie ihn und Sie immer noch zu seinem Regiment gehörten.«
    »Aber so war es doch«, sagte ich verwirrt. »Sie wissen, dass wir zusammen waren. Wir sind zusammen ausgebildet worden, sind mit demselben Schiff nach Frankreich gebracht worden und haben in denselben Gräben gekämpft. Ich glaube, wir waren nicht ein einziges Mal wirklich getrennt.«
    »Ja, aber als er antwortete«, sagte Marian und zögerte, fast schien sie zu verlegen, um fortzufahren, »nun, da schrieb er, dass er schlechte Nachrichten für mich habe.«
    »Schlechte Nachrichten«, wiederholte ich, und es klang eher wie eine Feststellung und nicht wie eine Frage. Ich hatte plötzlich eine nervöse Ahnung, was es gewesen sein mochte.
    »Er schrieb … Es tut mir so leid, Mr Sadler, ich meine, Tristan, aber ich bin hier ganz

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