Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
haben keine Fotos von ihm in Uniform, wie ich sehe.«
»Nein«, sagte Mrs Bancroft. »Ich meine, ich hatte eines. Aus der Zeit, als er sich gerade verpflichtet hatte. Wir waren natürlich schrecklich stolz auf ihn, und es schien genau die richtige Entscheidung. Aber ich habe es weggeräumt. Ich will nicht an diesen Teil seines Lebens erinnert werden, verstehen Sie? Es liegt irgendwo in einer Schublade …«
Ihre Stimme versiegte, und ich ging nicht weiter darauf ein. Ich hätte die Frage nicht stellen sollen. Dann sah ich jedoch ein anderes Porträt, von einem Mann in einer Uniform, die anders war als die, die Will und ich getragen hatten. Er sah gelassen in die Kamera und schien bereit für alles, was das Schicksal ihm bringen mochte. Er hatte einen außergewöhnlichen Schnauzbart.
»Das ist mein Vater«, sagte Mrs Bancroft, nahm das Foto vom Schrank und betrachtete es liebevoll. Mit der freien Hand strich sie mir einen Moment lang über den Arm, was ein angenehmes Gefühl war. »Marian und William haben ihn beide nicht kennengelernt. Er hat im ersten Burenkrieg gekämpft.«
»Ah, ja«, sagte ich. In meiner Kindheit hatten der Burenkrieg und sein Vorgänger einen wichtigen Teil in der Erinnerung meiner Eltern und ihrer Generation eingenommen und waren auch heute noch oft das Gesprächsthema. Jeder hatte einen Großvater oder Onkel, der bei Ladysmith oder Mafeking gekämpft hatte, sein Leben auf den abschüssigen Hügeln der Drakensberge oder, auf besonders schreckliche Weise, im vergifteten Wasser des Modder gelassen hatte. Die Buren, eine Rasse, die entschlossen gewesen war, sich nicht von Eindringlingen aus einem anderen Teil der Welt überrennen zu lassen, hatten als der letzte große Feind des englischen Volkes gegolten und der Krieg mit ihnen als unser letzter großer Konflikt. Welch bittere Ironie.
»Ich habe meinen Vater kaum gekannt«, sagte Mrs Bancroft leise. »Er war dreiundzwanzig, als er umkam, und da war ich erst drei. Meine Mutter und er hatten früh geheiratet. Ich habe kaum Erinnerungen an ihn, aber die wenigen, die ich habe, sind glücklich.«
»Diese verdammten Kriege haben die Angewohnheit, unserer Familie die Männer zu nehmen«, bemerkte Marian in ihrem Sessel.
»Marian!«, rief Mrs Bancroft und warf mir einen schnellen Blick zu, um zu sehen, ob ich Anstoß an ihren Worten genommen hatte.
»Stimmt das etwa nicht?«, fragte Marian. »Und nicht nur die Männer. Großmutter – deine Mutter – ist ebenfalls im Transvaal umgekommen.«
Ich hob eine Braue, weil ich sicher war, dass sie sich da täuschen musste.
»Rede nicht einen solchen Unsinn, Marian«, sagte Mrs Bancroft. Sie stellte das Foto wieder hin und sah mich etwas verunsichert an. »Meine Tochter ist emanzipiert, Mr Sadler, und ich weiß nicht, ob das gut ist. Ich selbst habe mich nie emanzipieren wollen.« Wieder musste ich an Mrs Wilcox denken, wie sie sich beim Essen bei den Schlegels blamiert.
»Also gut, sie ist nicht direkt im Transvaal umgekommen«, lenkte Marian ein. »Aber sie hat Großvaters Tod nicht überlebt.«
»Marian, bitte!«, sagte Mrs Bancroft jetzt mit schärferer Stimme.
»Warum soll Tristan das nicht wissen dürfen? Wir haben nichts zu verbergen. Meine Großmutter, Tristan, konnte ohne meinen Großvater nicht sein und hat sich das Leben genommen.«
Ich wandte den Blick ab, weil ich diese Vertraulichkeit nicht wollte.
»Darüber reden wir normalerweise nicht«, sagte Mrs Bancroft, und ihre Stimme klang eher traurig als ärgerlich. »Sie war noch sehr jung, meine Mutter, als er getötet wurde. Und sie war erst neunzehn gewesen, als ich zur Welt kam. Ich denke, dass es einfach zu viel für sie war, die Verantwortung und die Trauer. Ich habe ihr das nie vorgeworfen, sondern versucht, sie zu verstehen.«
»Es gibt auch keinen Grund, ihr etwas vorzuwerfen, Mrs Bancroft«, sagte ich. »Wenn solche Dinge geschehen, dann sind es Tragödien. Niemand tut so etwas, weil er es tun möchte. Die Menschen tun so etwas, weil sie krank sind.«
»Ja, ich denke, da haben Sie recht«, sagte sie und setzte sich. »Nur war es damals eine große Schande für unsere Familie, und das, nachdem mein Vater uns mit seinen Kriegstaten so stolz gemacht hatte.«
»Ist es nicht komisch, Tristan«, fragte Marian, »dass wir den Tod eines Soldaten als Grund dafür sehen, stolz zu sein, und nicht als nationale Schande? Es ist ja nicht so, dass wir im Transvaal überhaupt etwas zu suchen gehabt hätten.«
»Mein Vater hat seine Pflicht
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