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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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einsetzten. Jessie gestand sich widerwillig ein, dass die Schmerzen, die sie bisher erduldet hatte, selbst das lähmende Charleypferd, das ihrem ersten Panikanfall ein Ende bereitet hatte, ein Honigschlecken verglichen mit dem waren, was ihr noch bevorstand. Sie würden im Laufe des Tages ihre Arme, den Solarplexus und den Unterleib zerreißen und immer schlimmer, weitreichender und häufiger werden. Mit der Zeit würden ihre Extremitäten absterben, so sehr sie sich auch bemühen mochte, die Blutzirkulation anzuregen, aber die Taubheit würde keine Erleichterung bringen; bis dahin würde sie mit Sicherheit von quälenden Brust- und Magenkrämpfen heimgesucht werden. Sie hatte keine Nägel in den Händen und Füßen und lag auf dem Bett, statt an einem Kreuz am Straßenrand zu hängen wie einer der besiegten Gladiatoren in Spartakus, aber diese Variationen zogen ihren Leidensweg vielleicht nur noch mehr in die Länge.
    Also was hast du jetzt vor, solange du noch kaum Schmerzen hast und klar denken kannst?
    »Was immer ich kann«, krächzte sie, »also warum hältst du nicht einfach die Klappe und lässt mich kurz nachdenken?«
    Nur zu – ich hindere dich nicht daran.
    Sie würde mit der logischsten Lösung anfangen und sich dann abwärts vorarbeiten … wenn es sein musste. Und was war die logischste Lösung? Selbstverständlich die Schlüssel. Sie lagen immer noch auf der Kommode, wo er sie hingelegt hatte. Zwei Schlüssel, aber beide genau gleich. Gerald, der manchmal geradezu rührend komisch sein konnte, hatte sie häufig als STÜRMER und ERSATZMANN bezeichnet (und Jessie hatte die Großbuchstaben deutlich aus der Stimme ihres Mannes heraushören können).
    Angenommen, nur als Denkmodell, sie konnte das Bett irgendwie durchs Zimmer zur Kommode rucken. Würde es ihr tatsächlich gelingen, einen dieser Schlüssel zu fassen zu bekommen, damit sie ihn benutzen konnte? Jessie gestand sich widerwillig ein, dass sie zwei Fragen aufwarf, nicht nur eine. Sie ging davon aus, dass es ihr gelingen würde, einen Schlüssel mit den Zähnen hochzuheben, aber was dann? Sie würde ihn trotzdem nicht ins Schloss bekommen; ihre Erfahrung mit dem Wasserglas deutete darauf hin, dass eine Kluft von zehn Zentimetern bleiben würde, so sehr sie sich auch streckte.
    Okay, streichen wir die Schlüssel. Hinunter auf die nächste Sprosse der Leiter der Wahrscheinlichkeit. Was könnte das sein?
    Sie dachte fast fünf Minuten erfolglos darüber nach, drehte es im Geiste herum wie die Seiten eines Rubik’s Cube und ruderte dabei mit den Armen. An einem Punkt während ihrer Überlegungen schweifte ihr Blick zum Telefon auf dem niederen Tischchen bei den Ostfenstern. Zuvor hatte sie es abgetan, weil es in einem anderen Universum stand, aber vielleicht war das zu vorschnell gewesen. Schließlich war das Tischchen näher als die Kommode und das Telefon viel größer als ein Handschellenschlüssel.
    Wenn sie das Bett zum Telefontisch rücken konnte, würde sie dann nicht mit dem Fuß den Hörer von der Gabel nehmen können? Und wenn ihr das gelang, konnte sie vielleicht mit dem großen Zeh die Taste für das Fernamt drücken, die zwischen den Tasten * und #. Es hörte sich nach einem verrückten Vaudeville-Kunststück an, aber …
    Ich drücke den Knopf, warte und schrei mir dann die Seele aus dem Leib.
    Ja, und eine halbe Stunde später würden entweder der große blaue Medcu-Notarztwagen aus Norway oder der große orangefarbene mit der Aufschrift »Castle County Rescue« kommen und sie in Sicherheit bringen. Eine verrückte Idee, zugegeben, genauso wie eine Abokarte zu einem Strohhalm zu falten. Verrückt oder nicht, es konnte funktionieren – und nur darauf kam es an. Auf jeden Fall vielversprechender als das Bett quer durchs Zimmer zu rucken und dann nach einer Möglichkeit zu suchen, einen Schlüssel ins Schloss einer Handschelle zu bekommen. Die Idee hatte allerdings einen großen Nachteil: Sie musste irgendwie versuchen, das Bett nach rechts zu schieben, und das war ein schwieriges Unterfangen. Sie schätzte, dass es mit den Kopf- und Fußteilen aus Mahagoni mindestens dreihundert Pfund wiegen musste, und diese Schätzung konnte noch untertrieben sein.
    Aber du könntest es wenigstens versuchen, und vielleicht erlebst du eine große Überraschung – vergiss nicht, der Boden ist seit dem Tag der Arbeit gewachst. Wenn ein streunender Hund, bei dem alle Rippen zu sehen sind, deinen Mann bewegen kann, kannst du vielleicht dieses Bett

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