Das Spiel
gibt zwei Sorten, weißt du noch? M-17 und F-23. Ich glaube, gestern wäre es dir fast wieder eingefallen. Er wollte F-23er, aber davon stellen sie nicht viel her, und sie sind schwer zu bekommen, daher musste er sich mit einem Paar M-17ern begnügen. Du kannst dich doch erinnern, oder nicht? An dem Tag, als er die Handschellen nach Hause gebracht hat, hat er dir alles darüber erzählt.
Sie machte die Augen auf und betrachtete die Handschelle um ihr rechtes Handgelenk. Ja, er hatte ihr eindeutig alles darüber erzählt; er hatte sogar geplappert wie ein Kokser, der sich zweimal high geschnupft hat, angefangen mit einem Anruf aus dem Büro am späten Vormittag. Er wollte wissen, ob das Haus frei war – er konnte sich nie merken, wann die Haushälterin ihren freien Tag hatte -, und als sie ihm bestätigt hatte, dass es frei war, hatte er sie gebeten, sich etwas Bequemes anzuziehen. »Etwas, das fast da ist«, hatte er sich ausgedrückt. Sie wusste noch, sie war gespannt gewesen. Selbst am Telefon hatte Gerald sich angehört, als würde er gleich platzen, und sie hatte vermutet, dass er etwas Schweinigeliges dachte. Sie hatte nichts dagegen; beide gingen auf die vierzig zu, und wenn Gerald ein bisschen experimentieren wollte, war sie gerne dazu bereit.
Er war in Rekordzeit heimgekommen (die ganzen drei Meilen der Stadtumgehung 295 mussten noch hinter ihm qualmen, dachte sie), und sie erinnerte sich am besten, wie er mit roten Wangen und leuchtenden Augen im Schlafzimmer herumgewuselt war. Wenn sie über Gerald nachdachte, fiel ihr Sex nicht als Erstes ein (bei einem Wortassoziationstest wäre ihr wahrscheinlich als erstes Sicherheit in den Sinn gekommen), aber an diesem Tag wären die beiden fast austauschbar gewesen. Er hatte eindeutig nur Sex im Sinn gehabt; Jessie war davon überzeugt, dass sein normalerweise höflicher Anwaltspillermann den Hosenschlitz seiner Gabardinehose herausgedrückt hätte, wenn er sie ein bisschen langsamer ausgezogen hätte.
Nachdem er sie und die Unterhose darunter abgelegt hatte, hatte er sich ein wenig beruhigt und feierlich den Adidas-Turnschuhkarton aufgemacht, den er mit nach oben gebracht hatte. Er holte die beiden Handschellen heraus und hielt sie ihr zur Begutachtung hin. Der Puls hatte an seinem Hals gepocht, eine flatternde, unmerkliche Bewegung, die fast an den Flügelschlag eines Kolibris erinnerte. Auch daran erinnerte sie sich. Schon damals musste sein Herz nicht mehr ganz einwandfrei funktioniert haben.
Du hättest mir einen großen Gefallen getan, Gerald, wenn du dort und damals den Löffel abgegeben hättest.
Sie wollte entsetzt sein ob dieses garstigen Gedankens über den Mann, mit dem sie einen so großen Teil ihres Lebens verbracht hatte, und musste feststellen, dass sie lediglich eine fast klinische Selbstabscheu zustande brachte. Und als sie wieder daran dachte, wie er an dem Tag ausgesehen hatte – die roten Wangen, die leuchtenden Augen -, ballte sie die Hände stumm zu festen kleinen Fäusten.
»Warum hast du mich nicht in Ruhe lassen können?«, fragte sie ihn jetzt. »Weshalb musstest du deswegen so ein Arsch sein? So ein grober Klotz? «
Vergiss es. Denk nicht über Gerald nach; denk an die Handschellen. Zwei Paar Sicherheitshandfesseln Marke Kreig, Größe M-17. M für männlich; 17 für die Anzahl der Kerben im Schließbügel.
Ein Gefühl strahlender Hitze keimte in ihrem Bauch und ihrer Brust auf. Fühl das nicht, sagte sie zu sich, und wenn du es unbedingt fühlen musst, dann tu so, als wären es Verdauungsstörungen.
Aber das war unmöglich. Sie verspürte Hoffnung, und das ließ sich nicht leugnen. Sie konnte sie bestenfalls mit der Wirklichkeit ins Gleichgewicht bringen und sich vergegenwärtigen, dass ihr erster Versuch, sich aus den Handschellen zu zwängen, gescheitert war. Aber trotz der Anstrengung, sich an die Schmerzen zu erinnern, konnte sie nur daran denken, wie nahe – wie verdammt nahe - sie dem Entkommen gewesen war. Nur noch fünf Millimeter, hatte sie damals gedacht, und es hätte wahrscheinlich geklappt, und ein Zentimeter hätte auf jeden Fall gereicht. Die Handwurzelknochen waren ein Problem, ja, aber wollte sie wirklich in diesem Bett sterben, weil sie eine Kluft nicht überwinden konnte, die nicht viel breiter als ihre Unterlippe war? Auf gar keinen Fall.
Jessie bemühte sich nach Kräften, die Gedanken zurückzustellen und sich auf den Tag zu konzentrieren, an dem Gerald die Handschellen nach Hause gebracht hatte. Wie er
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