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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Aspirintabletten war beißend, stechend, leicht säuerlich.
    Ich halte das ganz und gar nicht für eine gute Idee, sagte Goodwife Burlingame nervös. Aspirin verdünnt das Blut und hemmt die Gerinnung.
    Das stimmte wahrscheinlich, aber die freiliegenden Nerven auf dem rechten Handrücken kreischten inzwischen wie eine Feuersirene, und Jessie überlegte, wenn sie nicht etwas dagegen unternahm, würde sie sich bald auf dem Boden wälzen und die gespiegelten Wellen an der Decke anheulen. Sie schüttelte sich zwei Excedrin in den Mund, zögerte und warf noch zwei ein. Sie drehte den Hahn wieder auf, schluckte sie und betrachtete schuldbewusst den behelfsmäßigen Verband am Handgelenk.
    Das Rot triefte immer noch durch die Papierlagen; bald würde sie die Binde abnehmen und das Blut wie heißes rotes Wasser herauswringen können Eine grässliche Vorstellung … und sobald sie sie einmal im Kopf hatte, schien sie sie nicht mehr loswerden zu können.
    Wenn du es schlimmer gemacht hast …, begann Goody trübselig.
    Ach, verschon mich, antwortete die Ruth-Stimme. Sie sprach brüsk, aber nicht unfreundlich. Wenn ich jetzt an Blutverlust sterbe, soll ich dann vier Aspirin die Schuld geben, nachdem ich meine rechte Hand buchstäblich skalpiert habe, damit ich vom Bett runterkonnte? Das ist ja surrealistisch!
    Ja, wahrhaftig. Alles schien jetzt surrealistisch zu sein. Aber das war nicht ganz das richtige Wort. Das richtige Wort war …
    »Hyper -realistisch«, sagte sie mit leiser und nachdenklicher Stimme.
    Ja, das war es. Eindeutig. Jessie drehte sich um, bis sie wieder Richtung Badezimmertür stand, dann keuchte sie erschrocken. Der Teil ihres Kopfs, der das Gleichgewicht überwachte, meldete ihr, dass sie sich noch drehte. Einen Augenblick stellte sie sich Dutzende Jessies vor, eine überlappende Kette, welche die einzelnen Stadien des Bewegungsablaufs festhielt wie einzelne Bilder einer Filmrolle. Ihr Schrecken nahm zu, als sie feststellte, dass die goldenen Lichtsäulen, die schräg zu den Westfenstern hineinfielen, eine reale Beschaffenheit angenommen hatten – sie sahen wie Stücke hellgelber Schlangenhaut aus. Die Staubkörnchen, die darin schwebten, waren zu Schwaden Diamantgrieß geworden. Sie konnte ihren schnellen, leichten Herzschlag hören, konnte die vermischten Gerüche von Blut und Brunnenwasser wahrnehmen. Es war, als würde sie an einem uralten Kupferrohr riechen.
    Das ist die Vorstufe einer Ohnmacht.
    Nein, Jess, stimmt nicht. Du kannst es dir nicht leisten, ohnmächtig zu werden.
    Das stimmte wahrscheinlich, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es trotzdem passieren würde. Sie konnte nichts dagegen tun.
    Doch, du kannst. Und du weißt auch, was.
    Sie betrachtete ihre gehäutete Hand und hob sie. Eigentlich musste sie gar nichts tun, nur die Muskeln des rechten Arms entspannen. Die Schwerkraft würde den Rest erledigen. Wenn die Schmerzen nicht ausreichten, sie aus dem schrecklichen grellen Ort zu holen, an dem sie sich plötzlich befand, die Schmerzen, wenn ihre geschälte Hand auf dem Tresen aufschlug, dann würde gar nichts helfen. Sie hielt die Hand eine ganze Weile an die blutverschmierte Brust gedrückt und versuchte, genügend Mut aufzubringen. Schließlich ließ sie sie wieder an die Seite sinken. Sie konnte es nicht – konnte es einfach nicht. Es war eins zu viel: ein Schmerz zu viel.
    Dann beweg dich, bevor du umkippst.
    Das kann ich auch nicht, antwortete sie. Sie fühlte sich mehr als müde; sie fühlte sich, als hätte sie gerade ein volles Kawumm absolut erstklassiges Kambodschanisch Rot alleine geraucht. Sie wollte nur hier stehen und zusehen, wie die Körnchen Diamantstaub ihre trägen Kreise durch die Sonnenstrahlen zogen, die durch die westlichen Fenster hereinfielen. Und vielleicht noch einen Schluck von diesem dunkelgrünen Wasser mit Moosgeschmack trinken.
    »Herrje«, sagte sie mit distanzierter, ängstlicher Stimme. »Herrje, Louise.«
    Du musst aus dem Badezimmer raus, Jessie – du musst. Mach dir vorläufig nur darum Gedanken. Ich glaube, du solltest dieses Mal über das Bett klettern; ich bin mir nicht sicher, ob du es nochmal unten durch schaffst.
    Aber … aber auf dem Bett sind Glasscherben. Und wenn ich mich schneide?
    Das rief Ruth Neary auf den Plan, und die war tobsüchtig.
    Du hast schon fast die ganze Haut deiner rechten Hand abgezogen – glaubst du, ein paar Schnittwunden mehr spielen da noch eine Rolle? Herrgott nochmal, Süße, was ist, wenn du mit einer

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