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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zurückgekehrt, um die angefangene Arbeit zu Ende zu bringen. »Es« war am Morgen, als ich aufgewacht bin, im Mercedes, und »es« ist fast jede Nacht hier in meinem Haus an der Eastern Prom, wo es sich vielleicht hinter einem Vorhang versteckt oder mit der Korbkiste zwischen den Füßen in einem Schrank lauert. Es gibt keine magischen Pfähle, die man den wahren Monstern ins Herz schlagen kann, und, o Ruth, das macht mich so müde .
     
    Jessie hielt gerade so lange inne, dass sie den überquellenden Aschenbecher ausleeren und sich eine frische Zigarette anzünden konnte. Das machte sie langsam und bewusst. Ihre Hände hatten leicht, aber deutlich zu zittern angefangen, und sie wollte sich nicht verbrennen. Als die Zigarette glühte, nahm Jessie einen tiefen Zug, atmete aus, legte sie auf den Aschenbecher und wandte sich wieder dem Mac zu.
     
    Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn die Autobatterie den Dienst versagt hätte – ich glaube, ich wäre einfach sitzen geblieben, bis jemand kommt, selbst wenn es den ganzen Tag gedauert hätte -, aber der Motor sprang beim ersten Mal an. Es gelang mir, von dem Baum loszukommen, an den ich gefahren war, und das Auto auf die Straße zurückzusetzen. Ich wollte ständig in den Rückspiegel sehen, hatte aber Angst davor. Ich hatte Angst, ich könnte ihn sehen. Nicht weil er da war, um das klarzustellen – ich wusste, dass er nicht da war -, aber weil mein Hirn mir vorgaukeln konnte, ich würde ihn sehen. Als ich schließlich zur Sunset Lane kam, musste ich hinsehen. Ich konnte nicht anders. Im Rückspiegel war selbstverständlich nur der Rücksitz zu sehen, was den Rest der Fahrt ein bisschen leichter machte. Ich fuhr zur 117 und dann zu Dakin’s Country Store – dort hängen die Einheimischen herum, wenn sie zu pleite sind, nach Rangely oder in eine der Bars in Motton zu gehen. Sie sitzen überwiegend an der Esstheke, essen Donuts und erzählen sich Lügengeschichten, was sie am Samstagabend gemacht haben. Ich fuhr hinter die Zapfsäulen und saß fünf Minuten oder so einfach nur da und beobachtete die Holzfäller und Hausmeister und Arbeiter vom Kraftwerk, die kamen und gingen. Ich konnte nicht glauben, dass sie wirklich da waren – ist das nicht ein Heuler? Ich dachte, sie wären Gespenster, dass sich meine Augen bald an das Tageslicht gewöhnen und ich durch sie hindurchsehen würde. Ich hatte wieder Durst, und jedes Mal wenn jemand mit einer dieser kleinen Kaffeetassen aus Plastik herauskam, wurde es schlimmer, aber ich brachte es immer noch nicht fertig, aus dem Auto auszusteigen … um sozusagen unter den Gespenstern zu wandeln.
    Ich denke, ich hätte es irgendwann einmal geschafft, aber bevor ich den Mut aufbrachte, auch nur die Zentralverriegelung zu öffnen, kam Jimmy Eggart angefahren und parkte neben mir. Jimmy ist ein pensionierter Buchhalter aus Boston, der seit dem Tod seiner Frau 1987 oder 88 ständig am See lebt. Er stieg aus seinem Bronco aus, sah mich, erkannte mich und fing an zu lächeln. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck zuerst zu Besorgnis, dann zu Grauen. Er kam zum Mercedes und bückte sich, damit er durchs Fenster sehen konnte, und er war so überrascht, dass sämtliche Falten in seinem Gesicht glattgezogen wurden. Daran erinnere ich mich noch ganz deutlich: wie Jimmy Eggart in seiner Überraschung wieder jung aussah. Ich sah, wie sein Mund die Worte »Jessie, alles in Ordnung?« formte. Ich wollte die Tür aufmachen, aber plötzlich traute ich mich nicht mehr. Mir ging etwas Verrücktes durch den Kopf. Das Ding, das ich den Space Cowboy genannt hatte, war auch in Jimmys Haus gewesen, aber Jimmy hatte nicht so viel Glück gehabt wie ich. Es hatte ihn getötet, ihm das Gesicht abgeschnitten und es aufgezogen wie eine Halloween-Maske. Ich wusste, dass es eine verrückte Vorstellung war, aber das nutzte mir nicht viel, weil ich sie nicht aus dem Kopf bekam. Ich brachte es nicht über mich, die Scheißautotür aufzumachen. Ich weiß nicht, wie schlimm ich an diesem Morgen ausgesehen habe, und will es auch nicht wissen, aber es muss ziemlich schlimm gewesen sein, weil Jimmy Eggart wenig später nicht mehr überrascht ausgesehen hat. Er sah so ängstlich aus, als wollte er weglaufen, und so betroffen, als müsste er kotzen. Er hat keins von beidem gemacht, Gott segne ihn. Stattdessen machte er die Autotür auf und fragte mich, was geschehen war, ob ich einen Autounfall gehabt oder mich jemand überfallen hatte.
    Ich musste nur an mir

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