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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Vari-Kennel kaufen konnte, aber die kleinen Schönheiten begannen bei neunundzwanzig Dollar fünfundneunzig, und von da an ging es nur noch steil aufwärts. Ein Hund wie Prinz wäre in einem Zwinger sowieso nicht glücklich. Er wäre glücklicher, wenn er frei herumlaufen konnte und die gesamten nördlichen Wälder als sein Königreich hatte. Ja, sagte sich Sutlin am letzten Tag im August, als er an einem gottverlassenen Abschnitt der Sunset Lane parkte und den Hund vom Rücksitz lockte. Der alte Prinz hatte das Herz eines fröhlichen Wandersmanns – man musste nur genau hinsehen. Sutlin war nicht dumm, und ein Teil seines Verstands wusste, dass das eigennütziger Quatsch war, aber ein anderer Teil war erregt von dieser Vorstellung, und als er wieder in sein Auto einstieg, wegfuhr und Prinz, der ihm nachsah, am Straßenrand stehen ließ, pfiff er die Titelmusik von Born Free und sang gelegentlich sogar Bruchstücke des Texts: »Boorn freeeee … to follow your heaaaart.« In dieser Nacht hatte er gut geschlafen und nicht einmal mehr an Prinz gedacht (bald schon der einstige Prinz), der die Nacht zusammengerollt unter einem umgestürzten Baum verbracht hatte, zitternd und wach und hungrig und jedes Mal, wenn eine Eule heulte oder ein Tier sich im Wald bewegte, vor Angst winselnd.
    Jetzt stand der Hund, den Charles Sutlin zu den Klängen von Born Free ausgesetzt hatte, unter der Tür des Sommerhauses der Burlingames (die Hütte der Sutlins lag auf der anderen Seite des Sees, und die beiden Familien hatten einander nie kennengelernt, obwohl sie sich in den letzten drei oder vier Sommern am städtischen Bootsanlegeplatz aus der Ferne beiläufig zugenickt hatten). Er hatte den Kopf gesenkt, die Augen aufgerissen und die Nackenhaare gesträubt. Er bemerkte sein eigenes unablässiges Knurren nicht einmal; seine ganze Konzentration galt dem Zimmer. Er begriff auf eine tiefsitzende, instinktive Weise, dass der Blutgeruch bald alle Vorsicht überwinden würde. Bevor das geschah, musste er, so gut er konnte, sicherstellen, dass dies keine Falle war. Er wollte nicht von Herrchen mit harten, schmerzhaften Füßen oder solchen, die harte Brocken vom Boden aufhoben und nach ihm warfen, gefangen werden.
    »Geh weg!«, versuchte Jessie zu schreien, aber ihre Stimme hörte sich schwach und zitternd an. Sie würde den Hund nicht verscheuchen, wenn sie ihn anschrie; der Drecksköter wusste irgendwie, dass sie nicht vom Bett aufstehen und ihm etwas tun konnte.
    Das darf nicht wahr sein, dachte sie. Wie kann es wahr sein, wo ich noch vor drei Stunden angeschnallt auf dem Beifahrersitz eines Mercedes gesessen, die Rainmakers im Kassettenrekorder angehört und studiert habe, was in den Mountain-Valley-Kinos gespielt wird, falls wir uns doch entscheiden sollten, die Nacht dort zu verbringen! Wie kann mein Mann tot sein, wo wir doch zusammen mit Bob Walkenhorst gesungen haben! »One more summer«, haben wir gesungen, »one more chance, one more stab at romance.« Wir kannten den Text beide auswendig, weil es ein toller Song ist, und weil das so ist, wie kann Gerald da tot sein! Wie kann es nur so weit gekommen sein! Tut mir leid, Leute, aber das muss ein Traum sein. Für die Wirklichkeit ist es viel zu absurd.
    Der Streuner kam langsam ins Zimmer, seine Beine waren steif vor Argwohn, der Schwanz gesenkt, die Augen groß und schwarz, die Zähne in voller Pracht gefletscht. Von Begriffen wie absurd wusste er nichts.
    Der einstige Prinz, mit dem die achtjährige Catherine Sutlin einst fröhlich gespielt hatte (jedenfalls bis sie eine Patchworkpuppe der Firma Cabbage namens Marnie zum Geburtstag bekommen und vorübergehend das Interesse verloren hatte), war teils Labrador und teils Collie … ein Mischling, aber längst kein Bastard. Als Sutlin ihn Ende August an der Sunset Lane ausgesetzt hatte, hatte er vierzig Kilo gewogen und ein glänzendes, glattes gesundes Fell gehabt, eine nicht unattraktive Mischung aus Braun und Schwarz (mit einem typischen weißen Colliefleck auf Brust und Schnauze). Jetzt wog er gerade noch zwanzig Kilo, und hätte man ihm mit der Hand über die Seiten gestrichen, dann hätte man die Rippen gespürt, ganz zu schweigen vom raschen, fiebrigen Herzschlag. Das Fell war stumpf und rau und voller Zecken. Eine halb verheilte rosa Narbe, Souvenir einer panischen Flucht unter einem Stacheldrahtzaun hindurch, verlief zickzackförmig über einen Lauf, und ein paar Stachelschweinstacheln ragten aus seiner Schnauze wie schiefe

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