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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unter den flüsternden Pinien anbaute), und schon gar nicht Maury Povitch. Da war nur dieser lange, eigentümlich unheimliche Schatten, bei dem sie an einen grauenerregenden Spinnenhund denken musste, der auf vier dünnen, gelenkigen Beinen balancierte. Jessie holte tief und erschauernd Luft und versuchte, ihren panischen Verstand wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ihr Hals war heiß und trocken, ihre Nase unangenehm nass und tränenverstopft.
    Was jetzt?
    Sie wusste es nicht. Enttäuschung, die vorübergehend so groß geworden war, dass sie keinerlei konstruktives Denken zuließ, pochte schmerzhaft in ihrem Kopf. Sie war sich nur in einem völlig sicher, nämlich dass der Hund an sich keine Bedeutung hatte; er würde nur eine Weile auf der Veranda stehen und wieder gehen, wenn ihm klarwurde, dass er nicht an das herankommen konnte, was ihn hierhergelockt hatte. Jessie stieß einen tiefen, unglücklichen Schrei aus und machte die Augen zu. Tränen quollen ihr unter den Wimpern hervor und rollten langsam die Wangen hinunter. Im Licht der Spätnachmittagssonne sahen sie wie Tropfen aus purem Gold aus.
    Was jetzt?, fragte sie sich wieder. Der Wind draußen wehte böig, brachte die Pinien zum Flüstern und die offene Tür zum Schlagen. Was jetzt, Goodwife? Was jetzt, Ruth? Was jetzt, ihr versammelten UFOs und Zuschauer? Hat einer von euch – einer von uns – irgendwelche Vorschläge? Ich habe Durst, muss pinkeln, mein Mann ist tot, und meine einzige Gesellschaft ist ein streunender Hund, dessen Vorstellung vom Hundehimmel aus den Resten eines Salamisandwichs mit drei Käsesorten von Amato’s in Gorham besteht. Und der wird ziemlich schnell auf den Trichter kommen, dass er mehr als den Geruch nicht vom Himmel bekommen wird, und dann wird er verduften. Also … was jetzt?
    Keine Antworten. Sämtliche inneren Stimmen waren verstummt. Das war schlimm – sie hatten ihr doch zumindest Gesellschaft geleistet -, aber die Panik war ebenfalls verschwunden und hatte nur ihren Schwermetallgeschmack hinterlassen, und das war gut.
    Ich schlafe eine Weile, dachte sie und stellte erstaunt fest, dass sie genau das konnte, wenn sie es nur wollte. Ich schlafe eine Weile, und wenn ich aufwache, fällt mir vielleicht etwas ein. Im besten Falle komme ich so wenigstens eine Zeit lang von der Angst weg.
    Die winzigen Stresslinien in den Augenwinkeln und die beiden deutlicheren zwischen den Brauen wurden glatter. Sie spürte, wie sie wegdämmerte. Und mit einem Gefühl von Erleichterung und Dankbarkeit ließ sie sich in diese Zuflucht vor der Selbstbetrachtung treiben. Als der Wind diesmal wieder böig wehte, schien er fern zu sein, und das unablässige Schlagen der Tür war noch weiter weg: Bumm-bumm, bumm-bumm, bumm.
    Ihr Atem, der tiefer und gleichmäßiger geworden war, während sie eindöste, setzte plötzlich aus. Sie riss die Augen auf. Im ersten Augenblick dieser aus dem Schlaf gerissenen Orientierungslosigkeit nahm sie nur eine Art verwirrte Pikiertheit zur Kenntnis: Sie hatte es fast geschafft, verdammt nochmal, und dann hatte diese verdammte Tür …
    Was war mit dieser verdammten Tür? Was genau war damit?
    Die verdammte Tür hatte ihren gewöhnlichen Doppelschlag nicht beendet, das war damit. Als hätte dieser Gedanke sie heraufbeschwört, konnte Jessie jetzt das deutliche Klicken von Hundekrallen auf dem Boden der Diele hören. Der Streuner war durch die unverriegelte Tür hereingekommen. Er war im Haus.
    Ihre Reaktion war blitzartig und unzweideutig. »Raus mit dir!«, schrie sie ihn an und merkte gar nicht, dass ihre überlastete Stimme sich so heiser wie ein Nebelhorn anhörte.
    »Hinaus, Mistvieh! Hast du verstanden? MACH, DASS DU AUS MEINEM HAUS KOMMST!«
    Sie verstummte, atmete schwer und hatte die Augen aufgerissen. Kupferdrähte mit geringer elektrischer Spannung schienen in ihre Haut geflochten zu sein; die obersten zwei oder drei Schichten summten und kribbelten. Sie bemerkte am Rande, dass ihre Nackenhärchen so steif abstanden wie Stachelschweinstacheln. Der Gedanke zu schlafen war blitzartig von der Bildfläche verschwunden.
    Sie hörte das anfängliche erschrockene Kratzen der Hundekrallen auf dem Dielenboden … dann nichts. Ich muss ihn verscheucht haben. Wahrscheinlich ist er sofort wieder zur Tür rausgestürzt. Ich meine, er muss doch Angst vor Menschen und Häusern haben, als Streuner.
    Ich weiß nicht, Süße, sagte Ruths Stimme. Sie hörte sich ungewohnt zweifelnd an. Ich sehe seinen Schatten auf der

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