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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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mich nicht«, gab Katie einen ihrer seltenen Kommentare ab und löste langsam die Schale von einer Grapefruit. »Du hast ja auch keine Sekunde die Kamera losgelassen.«
    Julia wusste inzwischen, dass die dritte Bewohnerin ihres Apartments aus Korea kam und seit ihrem zehnten Lebensjahr in den USA gelebt hatte. Aber das war so ziemlich alles, was das Mädchen von sich preisgegeben hatte, mal abgesehen von der ziemlich offensichtlichen Tatsache, dass sie sich nur von Obst und rohem Gemüse zu ernähren schien.
    »Weil ich alles gefilmt habe, während er mit seiner von Formeln verseuchten Powerpoint-Präsentation beschäftigt war.« Benjamin grinste und ahmte die hohe Fistelstimme des Dozenten nach. »Beweisen wir das folgende Ergebnis. Wenn wir annehmen, dass, dann folgt daraus blablabla. Und in zwei Wochen legen Sie ein Papier vor, indem Sie anhand eines Gegenbeispiels zeigen, dass die Umkehrung falsch ist, also blablabla.«
    Nun setzte allgemeines Grölen ein.
    »Mathematik«, erklärte nun Katie mit einer Ernsthaftigkeit, die bei ihr einfach nur arrogant klang, »ist etwas für Leute, die vor der Kompliziertheit der Welt flüchten. Sie bauen sich ein System auf, das ihnen vorgaukelt, alles sei berechenbar, begründbar und nur eine Frage von Verstand und logischem Denken.«
    Julia warf ihr einen verblüfften Blick zu. Das war der längste Satz, den sie bis jetzt von Katie gehört hatte.
    »Genau! Mathe macht die Welt, wie sie ihr gefällt.« Benjamin wiederholte den Satz immer wieder und klatschte im Rhythmus der Silben mit der flachen Hand auf die Tischkante. »Mathe macht die Welt, wie sie ihr gefällt.«
    Das Glas Wasser vor Julia geriet in Bewegung. Sie konnte es gerade noch festhalten.
    »Wusstet ihr, dass der Leiter des Mathematik-Departments hier am Grace eine berühmte Koryphäe sein soll?«, mischte sich Debbie wieder ein. »Angeblich war er sogar mal auf der Vorschlagsliste für den Nobelpreis. Mann, ich bewundere jeden, der als Hauptfach Mathe wählt.«
    David gab ein leichtes Stöhnen von sich. Er war neben Robert der Einzige von ihnen, der nicht den Pflichtkurs Mathematik bei Mr Lennon belegt hatte, sondern im Rahmen seines Schwerpunkts bei Professor Vernon studierte. »Das kannst du laut sagen. Ich hab heute wie ein Irrer mitgeschrieben und trotzdem die Hälfte der Zeit nichts verstanden«, sagte er jetzt und schob seinen Teller beiseite. »Das fing bei mir schon bei der Aufnahmeprüfung für das Grace an.« Seine Miene verdüsterte sich kurz. »Dabei wäre es der Supergau gewesen, wenn ich den Test nicht bestanden hätte.« Er wandte sich an Robert. »Wie war denn die Vorlesung für dich heute?«, erkundigte er sich besorgt. »Ich hab mich gewundert, dass du einfach nur dagesessen hast. Nicht mal die Formeln hast du notiert.«
    Julia tauschte einen Blick mit ihrem Bruder. Er saß bei ihnen, doch bis jetzt hatte er sich nicht in ihre Gespräche eingemischt.
    »Notizen lenken mich ab«, erwiderte Robert und runzelte die Stirn. »Ich kann nichts verstehen, wenn ich damit beschäftigt bin zu schreiben.«
    »Recht hast du, Mann«, stimmte ihm David zu. »Es wäre besser, sie würden uns den Unterrichtsstoff kopieren und es dann erklären. Das wäre viel einfacher.«
    »Wenn man genau zuhört, versteht man es von selbst, David«, erwiderte Robert geduldig.
    »Du meinst, du kannst dir die ganze Beweisführung merken? All die Formeln aus einer ganzen Vorlesung? Noch dazu im Hauptfach Mathematik bei einem Fast-Nobelpreisträger?« Debbie warf Robert einen Blick zu, als hätte sie einen Außerirdischen vor sich. Mindestens.
    »Ja«, sagte Robert schlicht und schob seine Brille zurecht.
    »Also, wenn du Probleme mit unserem Kurs hast, Debbie«, versuchte Julia schnell von ihrem Bruder abzulenken. »Ich kann dir gerne helfen. Ich bin ganz gut in Mathe.«
    Es stimmte schon, die Anforderungen am Grace waren sehr hoch, und alle, die nach der anspruchsvollen Aufnahmeprüfung am College angenommen wurden, verfügten über eine überdurchschnittliche Intelligenz. Aber Robert – Robert stand auf einem ganz anderen Blatt. Und Julia wollte auf keinen Fall, dass die anderen das zu schnell begriffen.
    »Oh, das ist aber supernett von dir, Julia!« Debbie sah aus wie ein Smiley. Sie strahlte über das ganze Gesicht und zog ihren orangefarbenen Filofaxkalender hervor. »Wann hast du Zeit? Wir können zusammen in meinem Zimmer lernen und uns anschließend einen Film ansehen.«
    »Klingt nach einem heißen Date!«, kommentierte

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