Das Spiel
das Mädchen, das Alex am Abend ihrer Ankunft fast überfahren hatte. Angela Finder hatte in ihrem Rollstuhl mitten auf der Straße gestanden und ihnen hinterhergestarrt.
»Geht ihr übermorgen eigentlich auch alle zu dieser mysteriösen Party am Bootshaus?«, riss Benjamins Stimme sie aus ihren Gedanken. Es war klar, dass er versuchte, die peinliche Szene zu überspielen. »Oder war das nur ein Scherz, diese Mail an meinen College-Account?«
David ging bereitwillig auf den Themenwechsel ein. Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe auch eine Einladung bekommen.«
»Ich auch«, sagte Debbie aufgeregt. »Was ist mit dir, Julia?«
Julia zuckte zusammen. Was sollte sie denn jetzt sagen? Ihr Handy lag auf dem Grund des Lake Mirror. Niemand außer Robert wusste, dass sie eines besessen hatte. Oder doch – der Absender dieser mysteriösen SMS – Loa.loa – wusste Bescheid.
»He, Julia? Bist du noch bei uns? Oder sitzt nur dein Körper an diesem Tisch?«, fragte Chris.
Julia gab keine Antwort. Und ausnahmsweise war sie heilfroh, dass es Debbie gab, denn die plapperte einfach unbeirrt weiter.
»Ach Leute, das wird echt aufregend. Meint ihr wirklich, dass dort am Bootshaus eine Party stattfindet? Ich glaube ja eher, hinter dieser Einladung steckt etwas ganz anderes. Ich meine, an jedem College gibt es doch Einführungsrituale für die Freshmen, oder?« Sie fuhr sich durch die orangefarbenen Haare, die noch wilder als sonst von ihrem Kopf abstanden. »Aber egal. Ich glaub jetzt einfach mal an die Party. Allein das Wort macht mich schon heiß, ganz davon abgesehen, wenn ich an all die Typen aus den höheren Jahrgängen denke!«
»Meinst du jemanden Bestimmtes?«, fragte Benjamin spöttisch.
Debbies erhitztes Gesicht leuchtete rot über der weißen Bluse mit den Puffärmeln. »Wer sollte sich schon für mich interessieren?«
Sie warf Julia einen Blick von links zu in der Erwartung, diese würde widersprechen. Julia tat, was von ihr erwartet wurde: »Ach Quatsch, du siehst super aus! Ganz natürlich.«
»So natürlich wie verschimmelter Fisch.«
»Eher wie ein Windbeutel«, murmelte Chris vom Ende des Tischs.
Plötzlich hatte Julia Mitleid mit Debbie. Im Alter von siebzehn Jahren war es das Schlimmste, durchs Leben zu huschen, als sei man eine graue Maus, und nur durch Geschwindigkeit den männlichen Jagdinstinkt wecken zu können.
Und dennoch hatte sie gestern Nacht ein Stöhnen aus Debbies Zimmer durch die Wand gehört und sie hatte vermutet, dass Debbie mit einem der Jungen schlief. Nur mit wem? Früher hätte sie sich mit ihren Freundinnen den Mund darüber fusselig geredet, doch jetzt ließ es sie seltsam kalt.
»Meine Einladung kam auch per Mail«, hörte sie Roberts Stimme. Sie blickte zu ihm hinüber. Davon hatte er ihr nichts erzählt. »Aber ich gehe nicht hin. Auf keinen Fall!«
Er sagte es bestimmt. Kein Zweifel war aus seiner Stimme zu hören. Julia wusste sofort, was mit ihm los war. Sein Blick war starr auf einen Punkt gerichtet, der außerhalb dieses Raums und außerhalb ihrer Wahrnehmung lag. Seine blauen Augen spiegelten dasselbe Blau wie der See, auf den sie von ihrem Platz durch die meterhohen Glasscheiben sehen konnte.
»He, lass dir von Debbie keine Angst machen. Selbst wenn ein paar der älteren Semester dahinterstecken, die uns einen Streich spielen wollen – das Ganze wird bestimmt ganz harmlos«, beruhigte ihn David. »Vor dem Bootshaus soll es übrigens einen tollen Platz zum Angeln geben. Ich bin früher mit … mit meinem Vater … also wir sind oft zusammen losgezogen. Wenn du willst, kann ich dir Fliegenfischen beibringen.« David warf Julia einen Blick zu. Als hätte sie darum gebeten, dass er sich einmischte.
»Im See gibt es keine Fische.«
»Woher willst du das wissen?«
Robert zuckte mit den Schultern, nahm die runde Brille ab und wischte sich über die Augen, wie immer, wenn er sich über irgendetwas Sorgen machte.
»Ich kann Robert verstehen.« Katie griff nach ihrer schwarzen Tasche, zog den Gurt über den Kopf und erhob sich. »Party! Allein das Wort macht mich schon aggressiv.«
Niemand beachtete sie. Stattdessen griff Debbie nach Julias Hand. »Und was ist mit dir, Julia?«
»Ich weiß von keiner Party.«
»Aber warum hast du als Einzige keine Einladung bekommen?« Debbie runzelte die Stirn. »Vielleicht einfach ein Versehen?«
Julia stand hastig auf. »Gehst du nach oben in unser Apartment, Katie? Oder was hast du vor?«
Die Asiatin warf ihr einen
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