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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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einen winzigen Stein am Boden.
    »Dann müsste dort irgendwo seine Leiche liegen«, erwiderte Chris und deutete auf die Wasserfläche tief unter ihnen.
    »Noch ganz frisch«, fügte Benjamin hinzu.
    »Ihr seid fies! Lasst uns weitergehen. Ich hab Höhenangst.« Debbie drückte sich eng an die Felswand und folgte dem Weg, der nun nicht breiter als ein, zwei Meter war. Die anderen schlossen sich ihr an. Julia starrte auf ihre Füße, um nur ja nicht zu weit nach rechts zu kommen. Höhenangst hatte sie noch nie gehabt, aber auch ihr war hier oben mulmig zumute. Ein falscher Schritt und sie würde das Steilufer hinabstürzen und sich beide Beine brechen. Mindestens.
    Bei der nächsten Biegung warf sie einen Blick zurück. Durch die Bäume war die mächtige Silhouette des Collegegebäudes noch gut zu erkennen, obwohl sie schon mindestens zwei, wenn nicht mehr Kilometer entfernt sein mussten. Das Licht der tief stehenden Sonne spiegelte sich in den vielen Scheiben.
    Und dann hörte sie Wasser. Es kam aus der Felswand und fiel fast im Neunzig-Grad-Winkel nach unten.
    »Ein Wasserfall! Oh, mein Gott, wie kommen wir da hinüber!« Selbst Debbie schaffte es kaum, den Lärm des Wassers zu übertönen.
    »Dort drüben gibt es eine Brücke«, schrie Chris. Er übernahm wieder die Führung. »Aber passt auf, ein paar der Holzbohlen sind locker.«
    Julia hielt sich an David. Die Brücke schwankte leicht und das Geländer hing schief. Sie wagte nicht, es anzufassen. Durch die Holzbohlen konnte sie erkennen, wie tief es nach unten ging.
    »Chris«, jammerte Debbie. »Mir ist schon ganz schwindelig! Ich kann nicht hinuntersehen!«
    »Dann lass es doch bleiben!«, sagte Rose scharf, die Julia folgte.
    »Hier ist wieder eine Weggabelung.« Das kam von Chris.
    Julia schaute hoch. Direkt hinter der Brücke teilte sich der Weg. Rechts führte er steil nach unten und dort weiter am See entlang. Links endete die Felswand und jemand hatte mit schwarzer Farbe einen Pfeil daraufgemalt.
    »Ist das wieder ein Zeichen, Chris?«, fragte Debbie.
    »Warum fragst du eigentlich immer mich?«, erwiderte Chris gereizt.
    »Du kennst doch den Weg.«
    »Ich? Ich habe keine Ahnung.«
    »Du weißt nicht, wo es langgeht?«, fragte Debbie nervös und steckte sich einen Kaugummi in den Mund. In den Achseln ihres Kleides zeichneten sich bereits dunkle Schweißflecken ab. »Warum rennen wir dir dann hinterher?«
    Für einen Augenblick schaute Chris über die Schulter nach hinten und sein Blick verharrte kurz auf Julia. »Weil ihr mir vertraut!«
    »Aber vielleicht hätten wir am College nach rechts gemusst – schließlich ist das der Hauptweg!«
    »Es gibt nicht viele Möglichkeiten und der See ist rund, also kommen wir irgendwann schon an. Schließlich geht es hier um ein Bootshaus. Der Schuppen liegt also am Ufer.«
    »Es dürfte mehrere Stunden dauern, den See zu umrunden«, warf David bedächtig ein.
    »Ich habe Zeit!«, sagte Chris und ging einfach weiter.
    Und wieder folgten ihm alle den Weg nach links, der in den Wald hineinführte und von diesem Moment keinen Regeln mehr zu folgen schien.
    Trampelpfad konnte man das nun nicht mehr nennen, was sich durch die Bäume schlängelte und jede freie Lücke zwischen den dicht stehenden Fichten nutzte. Nach einigen Metern war der Lake Mirror nicht mehr zu sehen, was nichts anderes bedeutete, als dass sie sich weiter vom College entfernten.
    Als seien sie geklont, reihten sich die hochgewachsenen Bäume aneinander. Und immer noch wehte kein Lüftchen. Stattdessen roch es intensiv nach Tannen, nach Harz und dem modrigen Geruch, der vom Waldboden aufstieg. Das Erdreich war unter der dichten Schicht Tannennadeln nicht mehr zu erkennen. Wenigstens hielten die Bäume die schwüle Hitze ein bisschen fern, stellte Julia erleichtert fest.
    Dafür war es hier deutlich dunkler als am Seeufer. Sie konnten sich jederzeit verlaufen. Vielleicht führte dieser Weg auch in die Irre? Was, wenn es doch keine Party gab, sondern es sich hier tatsächlich um einen Test für die Freshmen handelte, wie Debbie vermutet hatte?
    Julia hatte schon immer Kindergeburtstage gehasst, wenn die Mütter euphorisch verkündeten: Schnitzeljagd.
    Wie um ihren Gedanken zu unterstreichen, hörte sie vor sich ein Triumphgeheul von Benjamin. Er hatte die nächste schwarze Markierung gefunden, die direkt ins Unterholz verwies.
    Wo bin ich hier nur hineingeraten, fragte sich Julia, während sie sich durch Gestrüpp kämpfte, das immer wilder wurde.
    Immer

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