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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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In
diesem
Raum!«, flüsterte die Herzogin. Sie schlug das Zeichen der Drei. »Wer spricht da?«, fragte sie laut, und ihre Stimme zitterte. »Bist du ein Gespenst? Ein böser Geist?«
    »Nein, große Damen, mitnichten. Ich werd mich unverzüglich zeigen.« Die dünne, schrille Stimme hätte beinah dem Geist der toten Maus drunten im ersten Stock gehören können. Im nächsten Augenblick sah Utta eine Bewegung auf der Tischplatte. Ein winzig kleines, vierbeiniges Etwas kroch zwischen zwei aneinanderlehnenden Bücherstapeln hervor. Als es sich auf zwei Beine aufrichtete und als ein Männlein erwies, das nicht größer war als Uttas Zeigefinger, hätte sie um ein Haar die Fackel wieder fallen lassen.
    »Oh, barmherzige Perinstochter«, sagte Utta. »Es ist ein kleiner Mann.«
    »Nicht einfach nur ein Mann«, zirpte der Fremde, »vielmehr ein Rinnenspäher des Dachlingsvolks.« Er verbeugte sich. »Giebelgaup der Bogenschütz werd ich geheißen. Bitt vielmals um Verzeihung, wenn ich Euch erschreckte.«
    »Ihr seht es auch«, sagte Merolanna und krallte sich wieder an Utta fest, bis diese ihre Schulter loswand. »Schwester Utta, Ihr seht es. Ich bin nicht verrückt, oder?«
    »Ich sehe es«, war alles, was sie sagen konnte. Im Augenblick war sie sich ihrer geistigen Gesundheit selbst nicht ganz sicher. »Wer seid Ihr?«, fragte sie den Winzling. »Ich meine, was seid Ihr?«
    »Er sagt doch, er ist ein Dachling«, sagte Merolanna. »Das ist ja wohl offenkundig.«
    »Ein Dachling?«
    »Kennt Ihr denn die Geschichten nicht? Ach, Ihr seid ja von den vuttischen Inseln, nicht wahr?«
    Merolanna starrte Utta einen Augenblick an, besann sich dann darauf, worum es ging, und wandte sich wieder der erstaunlichen Erscheinung auf dem Tisch zu. »Was wollt Ihr? Seid Ihr derjenige ... habt Ihr diesen Brief in mein Gemach gelegt?«
    Giebelgaup verbeugte sich. Es war schwer zu sagen, weil er so klein war, aber vielleicht sah er etwas verlegen drein. »Das waren unsere Leute, ja, und Giebelgaup hat Anteil dran gehabt, auch das ist wahr. Wir nahmen selbgen Brief an uns und brachten ihn zurück. Doch mehr zu sagen, bin ich nicht befugt. Ihr müsst warten.«
    »Warten?« Merolannas Lachen war mehr als zittrig. Utta fürchtete schon, die Herzogin würde in Ohnmacht fallen oder schreiend davonlaufen, aber Merolanna schien entschlossen, zu beweisen, dass sie aus härterem Holz geschnitzt war. »Worauf warten? Dass die Kobolde kommen und uns ein Liedchen spielen? Dass uns der Zwergenkönig zu seinem Goldschatz führt? Beim Heiligen Trigon, erwachen denn alle Sagen zum Leben?«
    »Auch dies kann meine Wenigkeit nicht sagen, große Dame. Doch selbge, die es kann, wird kommen.« Er legte den Kopf schief »Ah. Ich hör sie schon.«
    Er zeigte auf den großen, lange nicht benutzten Kamin. Eine Reihe winziger Gestalten marschierte jetzt hinter einem Bücherstapel neben der Feuerstelle hervor — Männlein wie Giebelgaup, angetan mit phantastischen Rüstungen aus Nussschalen und Nagerskeletten und mit ebenso winzigen Schwertern und Speeren bewehrt. Die Miniaturtruppe marschierte schweigend (wenn auch nicht ohne ein paar nervöse Blicke zu Utta und Merolanna empor) über den Fußboden und bezog vor dem Kamin Aufstellung. Eine Plattform senkte sich langsam aus dem Rauchfang herab in die Öffnung des Kamins; sie wurde mit einem federleichten Quietschen, das an das Piepsen von Vogeljungen erinnerte, an Fäden heruntergekurbelt. Als sie einen halben Fuß über dem aschebedeckten Kaminbock war, hielt sie leicht schaukelnd inne. In der Mitte der Plattform, auf einem wunderschönen Thron, der teilweise aus einem vergoldeten Kiefernzapfen zu bestehen schien, saß eine fingergroße Frau mit rotem Haar und einer kleinen Krone aus Golddraht. Sie betrachtete ihre beiden riesigen Besucherinnen mit ruhigem Interesse und lächelte dann.
    »Ihre unfehlbare und erhabene Majestät, Königin Altania«, verkündete Giebelgaup voller Inbrunst.
    »Wir schulden Euch eine Erklärung, Herzogin Merolanna und Schwester Utta«, sagte die kleine Königin. Dank des steinernen Kamins, der wie ein Theater oder ein Tempel geformt war, war ihre hohe Stimme besser zu hören als die des kleinen Mannes. »Wir haben Auskünfte, die nach unserem Dafürhalten für Euch von Wert sein dürften, und bitten Euch im Gegenzug um Eure Hilfe bei den gewichtigen Angelegenheiten, die über uns alle gekommen sind.«
    »Unsere Hilfe?« Merolanna schüttelte den Kopf Die Herzogin wirkte jetzt so alt, wie

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