Das Spiel
sie war, verwirrt und auch ein wenig müde. »Bei den Göttern, ich schwöre, ich verstehe überhaupt nichts. Winzige Leutchen aus einer alten Sage. Was könnten wir schon tun, um Euch zu helfen? Und welche Auskunft könntet Ihr uns geben?«
»Zunächst einmal, Herzogin«, sagte die Königin so sanft, als spräche sie mit einem ungeduldigen Kind statt mit einer Frau, die viel, viel größer war als sie, »glauben wir, Euch sagen zu können, was mit Eurem Sohn geschehen ist.«
»Seid Ihr sicher?«, fragte Opalia. »Vielleicht seid Ihr ja immer noch zu müde.«
Seine Frau, bemerkte Chert, schien jetzt doch Bedenken zu haben.
»Nein, Frau Meisterin«, widersprach Chaven. »Ich habe mich gut erholt. Ja, jetzt schäme ich mich dafür, dass ich mich letzte Nacht so habe gehen lassen.« Er wirkte tatsächlich ganz verlegen. »Ich schätze Eure Freundschaft umso höher ob der Güte und Nachsicht, die Ihr mir in einer schlimmen Zeit entgegenbringt.«
»Aber seid Ihr auch wirklich ...?« Opalia sah den Hofarzt an und dann ihren Ehemann, als wollte sie, dass er sich einmischte. Chert war ganz zufrieden damit, dazusitzen und säuerlich zu lächeln. Dieses Herumwerkeln mit Spiegeln war schließlich
ihre
Idee gewesen. »Wollt Ihr es wirklich hier machen? In unserem Haus?«
Chaven lächelte. »Werte Opalia, was ich durchführen werde, ist kein großes, gefährliches Experiment, sondern nur eine milde, kleine Anwendung von Kaptromantie. Eurem Sohn und Eurem Haus wird nichts geschehen.«
Sohn.
Chert war sich immer noch nicht sicher, wie er das fand, behielt aber seine Gedanken für sich. In den wenigen Monaten, die sie Flint jetzt bei sich hatten, war der Junge um eine volle Spanne gewachsen, und jetzt schon überragte er Chert. Wie konnte man jemanden als Sohn betrachten, der gar nicht wirklich zu einem gehörte, dessen Eltern womöglich noch am Leben waren und ganz in der Nähe lebten, und der in wenigen Jahren doppelt so groß sein würde wie man selbst?
Nun ja, vermutlich ist nicht die Größe entscheidend, sondern das Herz,
dachte er. Er sah den Jungen an, der, in seine Decke gewickelt, verschlafen und ein wenig misstrauisch in dem Winkel saß, den er zu seinem gemacht hatte.
Immerhin ist er aufgestanden.
In letzter Zeit wirkte Flint wie ein uralter Verwandter — er schlief fast den ganzen Tag und sagte kaum etwas. Der Junge war zwar nie sonderlich gesprächig gewesen, aber bis zu dem Moment, da er nach seinem seltsamen Abenteuer in den Mysterien erwacht war, hatte er Lebenskraft versprüht wie ein sich schüttelnder Hund Wasser aus seinem Fell.
»Was braucht Ihr, Doktor?« Ein bisschen neugierig war Chert doch. »Besondere Kräuter? Opalia könnte auf den Markt gehen.«
»Du
könntest auf den Markt gehen, alter Griesgram«, sagte sie, war aber nicht mit dem Herzen dabei.
»Nein, nein.« Der Hofarzt winkte ab. Er sah nach einem ordentlichen Nachtschlaf ein wenig besser aus, aber Chert kannte ihn gut genug, um die Leere hinter der Fassade der Normalität zu erkennen. Chaven Makaros war alles andere als glücklich, was Chert noch mehr beunruhigte. »Nein, ich brauche lediglich Frau Opalias Spiegel und eine Kerze und ...« Chaven runzelte die Stirn. »Könnt Ihr diesen Raum abdunkeln?«
Chert lachte. »Ob wir das können? Ihr vergesst, dass Ihr derzeit in der Funderlingsstadt zu Gast seid. Schon das, worin wir uns normalerweise bewegen, würde Euch wie tiefe Dunkelheit erscheinen, und was Ihr für gewöhnliches Licht haltet, bereitet mir Kopfschmerzen.«
Chaven wirkte erschüttert. »Ist das wahr? Habt Ihr meinetwegen leiden müssen?«
Chert schüttelte den Kopf. »Ich habe übertrieben. Aber selbstverständlich können wir es hier dunkel machen.«
Während Chert auf einen Schemel stieg, um die Laterne hoch oben in der Nische über dem Feuer zu löschen, ging Opalia kurz hinaus, brachte dann eine Kerze auf einem Teller und stellte sie auf den Tisch. Schon der Austausch der Laterne gegen dieses eine kleine Licht verwandelte den Morgen in ein unheimliches, zeitloses Zwielicht, und Chert musste unwillkürlich an die Düsternis der Südmarkstadt jenseits der Bucht zurückdenken, an das unablässige Tropfen von Wasser, an diese gepanzerten ... Kreaturen, die aus den Schatten hervortraten. Er hatte Opalias Bedenken, was die Durchführung dieser Sache hier im Haus anging, einfach beiseitegewischt, weil er geglaubt hatte, sie habe nur Angst um ihre makellosen Fußböden, aber jetzt wurde ihm klar, dass ihre Beunruhigung
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