Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
festzuhalten, was wichtiger war: Briony hatte ihn irgendwie erreicht, durch die ganze kalte Welt und noch mehr, und jene große Göttin hatte ihn in einem Moment in dieser Welt festgehalten, in dem er sie sonst vielleicht verlassen hätte. Er war immer noch haltlos und verwirrt von dem Traum, in dem er sich befand, aber ihm war klar, dass er sich entschieden hatte, vorerst diesseits von Immons schicksalhaftem Tor zu bleiben, so elend und quälend das Leben auch sein mochte.
    Wie jemand, der sich vom Grund eines tiefen Wassers an die Oberfläche zurückkämpft, ruderte Barrick Eddon mit aller Kraft wieder dem Licht entgegen.

    Vansen hatte den Prinzen gerade auf dem Boden gelagert und in seinen zerrissenen, verdreckten Gardemantel gehüllt, als Barricks fiebriges Gemurmel verstummte und der Körper des Jungen, der so angespannt gewesen war wie eine Bogensehne, plötzlich erschlaffte. Noch während Vansen entsetzt dachte,
er ist tot, ich habe zugelassen, dass er stirbt,
riss der Junge die Augen auf. Einen Moment lang rollten sie wild hin und her, ohne sich auf etwas zu fokussieren, so als versuchte er, durch den Stein der lang gestreckten, niedrigen Felszelle zu starren. Dann richtete der Prinz den Blick auf Vansen. Der Soldat dachte, der Junge wolle ihm etwas sagen — ihm dafür danken vielleicht, dass er ihn den ganzen Weg hierher getragen hatte, oder ihn aus demselben Grund beschimpfen oder auch einfach nur fragen, welcher Tag war. Doch die Augen des Prinzen füllten sich jäh mit Tränen.
    Schniefend und schluchzend kämpfte sich Barrick unter dem Mantel hervor, entwand sich Vansen, der ihn festhalten wollte, und kroch zu einem freien Plätzchen an der Wand, wo er sich hinsetzte, das Gesicht in den Händen vergrub und hemmungslos weinte. Einige andere Gefangene drehten sich nach ihm um, und der Ausdruck auf ihren nichtmenschlichen Gesichtern variierte von gelindem Interesse bis zu leerem Stieren. Vansen rappelte sich auf, um zu ihm zu gehen.
    Ich vermute, er wird Euch nicht danken.
Gyirs Stimme in seinem Kopf war ihm immer noch ungewohnt und nicht besonders angenehm — als ob sich ein Fremder ohne Erlaubnis in seinem Haus einquartiert hätte.
Lasst den Jungen trauern.
    »Worum denn trauern? Wir sind doch noch am Leben. Es gibt doch noch Hoffnung.« Vansen sprach laut — er kannte den Trick nicht, ohne Worte zu sprechen, und wollte ihn auch nicht lernen. Diese Schattenlande waren ohnehin schon dabei, ihm alles zu nehmen, was ihn zu dem machte, der er war. Diesen Prozess würde er nicht noch beschleunigen.
    Um all das, wovon ihm klar geworden ist, dass er es verloren hat. Dasselbe, woran auch Ihr Euch so erbittert klammert — seine alte Vorstellung davon, wer er ist.
    »Was wisst Ihr ...? Verschwindet aus meinem Kopf, Zwielichtler!«
    Ich habe nicht in Euren Gedanken gestöbert, Sonnländer.
Vansen fühlte die Gereiztheit — nein, es war mehr — in Gyirs Worten. Das glatte Gesicht zeigte in diesem Augenblick nicht mehr Gefühl als der Bug eines Schiffs, aber die Worte kamen mit einem zornigen Pulsen, als ob jedes einzelne summte wie eine Apfelwespe.
Selbst in meinem eingeschränkten Zustand kann ich nicht umhin, etwas von Euren heftigsten Gefühlen mitzubekommen,
sagte Gyir, indem er Gedanken formulierte, die Vansen irgendwie als Worte verstand.
So wenig, wie es jemand vermeiden könnte, den Gestank Eures Schweißes zu riechen, wenn Ihr krank wärt oder Angst hättet.
Eine weitere Welle von Verächtlichkeit kam herüber.
Und ehrlich gesagt, kann ich auch das, sehr zu meinem Leidwesen. Ihr Sonnländer riecht alle nach Fäulnis und Tod.
    Von Neugier gepackt, ignorierte Vansen die Beleidigung. »Wieso kann ich Euch überhaupt verstehen? Vorher konnte ich es doch nicht.«
    Ich wusste bis eben nicht, dass Ihr es könnt. Unter anderen, weniger bedrohlichen Umständen wäre das eine interessante Frage.
    Vansen beobachtete Barrick, dessen Schluchzen jetzt nachließ. Ein paar von den kleineren Gefangenen, die der Prinz durch seine jähen Bewegungen vertrieben hatte, hatten sich jetzt wieder in seine Nähe gewagt, schienen ihn aber eher furchtsam als interessiert zu betrachten. »Wird ihm dort drüben etwas geschehen?«
    Gyir richtete die gelben Augen kurz auf Barrick.
Ich glaube nicht. Die meisten hier im Raum fürchten mich. Und das mit Recht, auch wenn ich derzeit ein solcher Krüppel bin.
    Vansen sah, dass der Zwielichtler die Wahrheit gesagt hatte: Selbst in diesem riesigen Felskerker, der mit Kreaturen

Weitere Kostenlose Bücher