Das Spiel
wird und dann vom Himmel fällt). Doch vernehmt meine Worte! Argal, Xergal und Efiyal erfuhren von Shoshem dem Trickster, wo sie war, und stellten ein gewaltiges Heer auf, um gegen die Festung zu ziehen.
Offenbarungen des Nushash,
Erstes Buch
Wieder allein. Wieder verirrt. Vom Glück verlassen, einsam und verloren ...
Briony rieb sich mit dem Handrücken die Tränen weg.
Nein. Steh auf, du dummes Mädchen!
Was sollte das, herumzuheulen wie ein Kind? Wie lange saß sie schon allein hier am Waldrand? Die Dämmerung brach schon herein. Was war sie nur für eine Närrin, flennend hier zu hocken, während der Mond aufging und die Wölfe hervorkamen!
Sie erhob sich mühsam, erschöpft und mit schwachen Knien, obwohl sie sich geraume Zeit nicht gerührt hatte. War das also alles nur ein Traum gewesen — die Halbgöttin Lisiya, das Essen, die Geschichten von den Göttern und ihren Schlachten? Nur der Traum eines Mädchens, das sich verirrt hatte und nicht mehr weiterwusste?
Augenblick mal — Lisiya hatte ihr doch etwas gegeben, ein Amulett, das sie tragen sollte. Wo war es? Briony klopfte die Ärmeltaschen des langen, zerschlissenen Hemds ab, das von dem Jungen stammte, den sie getötet hatte, und mit eingetrockneten Spitzern seines Bluts übersät war ...
Ich musste mich wehren,
dachte sie und fühlte die wärmende Glut des Zorns in sich aufsteigen.
Um nicht meiner Freiheit beraubt und vergewaltigt zu werden!
Sie fand keine Spur von irgendetwas, das das Geschenk einer Göttin hätte sein können. Ihr Herz war so schwer und kalt wie ein Stein am Grund eines Brunnens. Sie musste sich das alles nur eingebildet haben.
Doch in ihr steckte immer noch etwas von der Briony Eddon, die eine Königin gewesen war, auch wenn man sie nicht so genannt hatte, von der jungen Frau, die monatelang jeden Morgen beim Aufwachen die Verantwortung für das Wohl ihres Volkes wie ein schweres Gewicht auf sich lasten gefühlt hatte, von jener Briony, die gelernt hatte, inmitten schmeichlerischer Ratgeber und intriganter Feinde auf sich selbst zu vertrauen. Diese Briony trug ein gerüttelt Maß der berühmten Unbeugsamkeit ihrer Familie in sich und würde nicht einfach aufgeben — auch jetzt nicht. Sie begann, ihre eigene Spur zurückzuverfolgen — wobei sie erschrocken feststellen musste, dass ihre Fußabdrücke die einzigen waren — und den Saum des Waldes nach irgendwelchen handfesten Beweisen für ihr Zusammensein mit Lisiya abzusuchen.
Schließlich fand sie, eher durch Zufall, das Amulett: Die weißen Fäden hatten sich ein paar Hundert Schritt waldeinwärts in einem herabhängenden Zweig verfangen, und da baumelte es nun wie ein winziger ovaler Mond. Briony klaubte den Vogelschädel behutsam von dem Zweig und dankte Zoria und dann, ein wenig verspätet, auch noch Lisiya für den Beweis, dass das alles doch nicht nur Einbildung gewesen war. Sie schnupperte an dem Anhänger: Der eigentümliche, staubig-herbe Geruch der getrockneten Blumen erinnerte sie an die Gewürzgefäße in den Burgküchen. Dann steckte sie es ein. Sie musste eine Schnur auftreiben, damit es nicht wieder verloren ging.
War es also doch
wahr
gewesen — alles, was Lisiya gesagt, all die sonderbaren Geschichten, die sie erzählt hatte?
Briony schrak zusammen: Wenn der Talisman real war, dann musste Lisiya sie aus einem bestimmten Grund an den Waldrand geführt haben — aber da war Briony jetzt nicht mehr!
Auf dem holprigen, mit glitschigen Blättern bedeckten Boden immer wieder stolpernd und ausrutschend, hastete sie in der hereinbrechenden Dämmerung zwischen den kahlen Baumskeletten hindurch.
Als sie aus dem Wald hervorstürzte, in die dunstige Leere des frühen Abends über den gleichförmigen Wiesen, sah sie zunächst gar nichts. Sie wollte sich gerade ins feuchte Gras sinken lassen, um Atem zu schöpfen, da erblickte sie ein einzelnes, auf- und abwippendes Licht, das sich auf das trübe Dunkel links von ihr zubewegte — die Laterne eines Wagens, der nach Süden rollte, gen Syan und das ferne Hierosol. Die Hexe oder Göttin, oder was auch immer sie sein mochte, hatte Briony also doch zu einem bestimmten Zweck hierher geführt. Sie humpelte dem entschwindenden Licht hinterher, betete, dass diese Fremden keine Banditen wären, und fragte sich dann, wie sie erklären sollte, dass sie ganz allein hier auf dem Grasland am Rand des Blankenwalds umherwanderte.
Die beiden Wagen rechts und links des großen Feuers sahen ein wenig wie eine Kulisse aus, die
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