Das Spiel
ehe ihm die übersättigten Städter von Tessis die Luft abschnüren.«
»Der Raub ... ich verstehe nicht, was Ihr meint.«
»Der Raub Zoriens.
Das ist ein Stück von mir, noch recht frisch. Es geht darum, wie Khors Zoria entfuhrt und gefangen hält, und um den verhängnisvollen Beginn des Götterkrieges. Mit veritablem Blitz und Donner, magischen Bühnentricks und furchterregendem Hufdonner, wenn die Götter auf ihren unsterblichen Streitrössern in die Schlacht reiten — und das alles für nur zwei Kupferstücke!« Lächelnd setzte er hinzu: »Ich bin recht stolz darauf, muss ich zugeben. Ob es aber mein bestes Werk ist, werden die Zeit und der Pöbel von Syan entscheiden.«
»Aber Ihr ... stammt Ihr denn nicht alle aus den Markenlanden? Warum zieht Ihr nach Syan? Warum führt Ihr Eure Stücke nicht in Südmark auf?«
»So kann nur fragen, wer wenig Ahnung von der Welt der Künstler und der Edelleute hat.« Das Lächeln war aus Teodorus' Gesicht gewichen. »Wir waren die Dalerstroyer Darstellertruppe des Grafen Rorick, die dieser von seinem gleichnamigen Vater geerbt hatte. Wir waren die besten und renommiertesten Schauspieler von ganz Südmark — was Ihr auch immer über die Kastellan-Kompanie gehört haben mögt, ist Unsinn. Das Firmament war unser, bis es niederbrannte — das war ein Theater, mein Kind —, und danach rissen sich die Odeion-Bühne innerhalb der Burgmauern und das große Schatzkammer-Theater in Südmarkstadt um uns. Aber leider lebt der junge Rorick nicht mehr.«
»Rorick Longarren ist tot?« Zu spät erst ging Briony auf, wie seltsam es wirken musste, dass sie den vollständigen Namen kannte.
Teodorus nickte. »Von Zwielichtlern erschlagen, heißt es. Jedenfalls kehrte er aus der Schlacht auf dem Kolkansfeld nicht zurück, und da er keinen Erben hatte, standen wir ohne Gönner da. Der Hüter des Reiches, der allergütigste Hendon Tolly, hat nichts für Schauspieler übrig — jedenfalls nicht für solche, die Verbindungen zur vorherigen Monarchie haben. Er fördert jetzt eine andere Truppe — ach, was sage ich, das ist keine Truppe, das ist eine Horde Banditen, so verbrecherisch geschrieben und aufgeführt sind ihre Stücke —, die unter der Schirmherrschaft eines schwachköpfigen jungen Barons namens Krey steht. Also blieb uns nur die Wahl, zu hungern oder auf Wanderschaft zu gehen.« Er lachte bitter. »Wir gelangten zu dem Schluss, dass die Wanderschaft wohl würdevoller und etwas weniger schmerzhaft wäre.«
Als Teodorus den Wagen verlassen hatte, um sich wieder zu den Schauspielern am Feuer zu gesellen, rollte sich Briony auf dem Boden zusammen — auch wenn Finn Teodorus sich angeblich aus Frauen nichts machte, wollte sie ihn nicht unnötig auf die Probe stellen — und deckte sich mit dem Reisemantel des Stückeschreibers zu. Sie hatte ihren Vetter Rorick nie leiden können, aber die Nachricht von seinem Tod bedrückte sie. Er hatte in derselben Schlacht gekämpft wie Barrick und war gefallen. Sie versuchte, sich dem beruhigenden Schwatzen und Singen von draußen zu überlassen. Auch wenn es raue Gesellen sein mochten, so war sie jetzt doch unter Menschen und nicht mehr allein. Briony schlief rasch ein. Wenn sie träumte, wusste sie am nächsten Morgen nichts mehr davon.
Der Arzt hatte es sich hier recht gemütlich gemacht. Die Zunft hatte Chaven nicht nur ein Bett und einen Stuhl zur Verfügung gestellt, sondern auch einen Tisch und, wie es schien, sämtliche Bücher der Zunftbibliothek. Schon bei der bloßen Vorstellung, so viel lesen zu sollen, tat Chert der Kopf weh. Seit er damals in die Mysterien eingeführt worden war, hatte er kein Buch mehr in die Hand genommen, außer um dann und wann hier in der Zunfthalle etwas nachzuschlagen, wenn es besonders komplizierte Probleme zu lösen galt. Chert Blauquarz hatte allerhöchste Achtung vor der Gelehrsamkeit, war aber selbst kein großer Leser.
»Ich hätte schon vor Jahren hier herunterkommen sollen«, sagte Chaven, ohne von seiner Lektüre aufzublicken. »Was war ich doch für ein Narr! Hätte ich auch nur geahnt, welche Schätze hier unten lagern ...«
»Schätze?«
Chaven hob das Buch, das er in Händen hielt, ehrfurchtsvoll an. »Bistrodos über das Züchten von Kristallen! Meine Kollegen in ganz Eion glauben dieses Werk verschollen, seit Hierosol erstmals fiel. Ich hoffe, ich werde jemanden finden, der mir beim Übersetzen aus der Funderlingssprache hilft. Wenn ich daran denke, welches Wissen Eure Vorfahren in all
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