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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine Ortschaft vorstellen sollte; ganz kurz hatte Briony schon fast das Gefühl, wieder in die Zivilisation zurückgekehrt zu sein. Jedenfalls wirkte der Mann, der zu ihr sprach, durchaus zivilisiert, und sein Sprachschatz war so üppig wie seine Figur. Als er sich als Finn Teodorus vorstellte, wurde ihr klar, dass er ihr nicht gänzlich unbekannt war; zum Glück waren sie sich noch nie von Angesicht zu Angesicht begegnet. Er war ein Dichter und Stückeschreiber, der früher manchmal Aufträge von Brone und anderen am Hof erhalten und ein, zwei Mal hübsche Ansprachen für die Festlichkeiten am Tag des Waisen oder am Perinstag geschrieben hatte. Seine Reisegefährten waren, soweit sie das ihren Gesprächen entnehmen konnte, Schauspieler, die mit ihren Karren eine Wintertournee durch die abgelegeneren Teile der Markenlande und angrenzende Gegenden unternahmen. Als Teodorus Briony ausfragte, spitzten einige am Feuer interessiert die Ohren, aber die meisten schienen weit mehr mit dem Essen beschäftigt oder damit, so viel Wein in sich hineinzuschütten wie irgend möglich. Zu letzteren zählte ein Mann, von dem Briony ebenfalls schon gehört zu haben glaubte und der Nennit oder Kennit hieß, auch er ein Dichter und — wie ihre Zofen Rose und Moina ihr, abgestoßen und fasziniert zugleich, erklärt hatten — ein höchst übelbeleumdeter Mann.
    »Du heißt also Timoid, junger Mann?« Finn Teodorus wiegte gedankenvoll den Kopf. »Das klingt ein wenig nach einem Bauerntölpel mit Stroh in den Haaren, der gerade erst von der Fähre aus Connord gestiegen ist. Vielleicht sollten wir dich Tim nennen.«
    Briony, die den Namen des Hofpriesters der Eddons gewählt hatte, konnte nur stumm nicken.
    »Merkwürdig nur, dass die Fähre, soweit ich weiß, nicht mitten im Blankenwald anlegt. Und du hörst dich auch nicht an, als kämst du frisch aus Connord. Wie lange, sagst du, irrst du hier schon herum?«
    »Tage, vielleicht auch Wochen, Herr.« Sie bemühte sich, ihre Stimme jungenhaft schroff und ihre Worte bäurisch schlicht klingen zu lassen. »Ich weiß es nicht so genau.« Letzteres zumindest entsprach der Wahrheit, aber sie war froh, dass der Schmutz auf ihrem Gesicht die nervöse Röte verbarg. »Und ich bin auch nicht aus Connord, sondern aus Südmark.« Sie hatte gehofft, sich einem Handwerker oder Händler gegenüber als Wanderlehrling ausgeben zu können, und nicht damit gerechnet, es mit einem so gewitzten Gegenüber zu tun zu bekommen, das sich zudem noch am Hof der Eddons auskannte.
    »Nun setzt ihm doch nicht so zu«, sagte der, der Dowan hieß — ein Hüne, dem Briony nicht einmal bis zur Schulter reichte, und dabei war Olin Eddons Tochter keineswegs klein geraten. »Der Junge ist müde und hungrig und außerdem durchgefroren.«
    »Und darauf aus, das auf unsere Kosten zu ändern«, sagte eine Frau, die die anderen Estir nannten. Sie hatte graue Strähnen im dunklen Haar, und wenn ihr Gesicht auch durchaus hübsch war, so schien doch ihr griesgrämiger Blick zu sagen, dass sie sich an jede Kränkung, die ihr in ihrem Leben widerfahren war, genauestens erinnerte.
    »Wir könnten noch einen brauchen, der bei den Seilen mit anpackt«, warf ein gut aussehender, braunhäutiger Junge ein, einer der wenigen, die ungefähr in Brionys Alter zu sein schienen. Er sprach lässig wie jemand, der es gewöhnt ist, seinen Willen zu bekommen. Sie fragte sich, ob er wohl mit dem Inhaber der Truppe verwandt war, die ihr Finn Teodorus als Makswells Mimen vorgestellt hatte — ein Name, wie ihn solche fahrenden Theatertruppen zu tragen pflegten. Vielleicht war der junge Mann ja Makswells Sohn oder gar Makswell selbst.
    »Also das lässt sich erst einmal ohne Einbußen machen, Estir«, erwiderte Teodorus der Frau. »Heute Abend kann er meinen Anteil haben, da mich mein Magen ohnehin etwas plagt. Und er wird bei mir im Wagen schlafen — es sei denn, es läge nicht bei mir, über diesen Platz zu verfügen?«
    Estir zog ein finsteres Gesicht, wedelte aber mit der Hand, als sei ihr das gleichgültig.
    »Also komm, heimatloser Tim«, sagte Teodorus und erhob sich mühsam von den schmalen Stufen des Karrens. Er war nicht älter als ihr Vater, und in dem wenigen Haar, das er hatte, zeigte sich kaum Grau, aber er bewegte sich wie ein alter Mann. »Du kannst mein Essen haben, dann unterhalten wir uns weiter, und vielleicht enthüllt sich ja eine Möglichkeit, wie du uns von Nutzen sein kannst, denn mit uns kann nur ziehen, wer dafür auch seinen

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