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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Doch jetzt müssen wir ihn wecken. Ich habe Euch beiden etwas zu sagen — etwas Wichtiges.
    Wichtiger als eine mögliche Seuche?
    Gyir ging neben dem Prinzen in die Hocke und berührte ihn an der Schulter. Sofort ließ das unruhige Zucken nach, und gleich darauf schlug der Junge die Augen auf. Der Zwielichtler griff in sein Wams, zog eine Handvoll Brotbrocken hervor, die er von der Mahlzeit vorhin aufgespart hatte, ging zu dem Gitterfenster in der Zellentür und warf, vor den Augen des verblüfften Vansen, das Brot mitten in den Hauptkerker.
    Nach kurzem, überraschtem Zögern stürzten sich die übrigen Gefangenen wie Tauben auf das verstreute Brot. Die Größeren entrissen es den Kleineren, und die von gleicher Größe oder Kraft kämpften erbittert darum, zu behalten, was sie ergattert hatten, oder einem anderen zu entwinden, was sie ihm nicht vor der Nase wegzuschnappen vermocht hatten. Im Nu war das stumme Elend in Kreischen, Zetern und Wüten umgeschlagen.
    Jetzt können wir reden — zumindest kurz,
sagte Gyir.
Ich spüre, dass uns jemand ganz in der Nähe belauscht — Ueni'ssoh vielleicht oder einer seiner Oberleute —, doch so wie Lärm gesprochene Worte übertönt, verbirgt ein ausreichendes Maß an Wut und Angst unser Gespräch vor jedem in unserer Nähe, der unausgesprochene Worte zu hören vermag.
    Vansen war beunruhigt.
Sie können hören, was wir im Kopf zueinander sagen?
    Sich so zu verständigen, ist keine Geheimkunst, Sonnländer, sondern allein eine Sache der Fertigkeit oder Abkunft — oder vielleicht auch, in Eurem Fall, einer seltsamen Fügung. Ueni'ssoh, der Traumlose, kann uns allemal verstehen, wenn er uns nahe genug ist. Und jetzt passt auf.
Er sah den schlaftrunkenen Barrick an.
Alle beide.
    Gyir holte wieder etwas aus seinem Wams hervor, behielt es aber diesmal in der geschlossenen Hand.
Ich werde Euch das hier nicht zeigen,
sagte er.
Ich wage nicht, es zu entblößen, nicht einmal bei diesem Tumult. Ihr seht aber, wie groß es ist, für den Fall, dass Ihr es später an Euch nehmen müsst.
    Vansen sah genau hin. Die langgliedrigen Finger des Zwielichtlers umschlossen etwas, das so klein war wie ein Ei.
Was ...?
    Gyir schüttelte den Kopf.
Es ist etwas Kostbares, das ist alles, was Ihr wissen müsst — unbeschreiblich kostbar. Meine Herrin hat mich beauftragt, es ins Haus des
Volkes
zu bringen. Wenn es dort nicht ankommt, wird wieder Krieg zwischen unseren beiden Völkern ausbrechen, doch das wird noch nicht das Schlimmste sein. Wenn dies hier nicht ins Haus des
Volkes
gelangt, wird der Pakt des Spiegelglases vereitelt, und meine Herrin Yasammez wird Eure Burg und alle darin vernichten. Und schließlich wird sie die Götter selbst wachrufen. Die Welt, wie wir sie kennen, wird untergehen. Meine Leute werden sterben, und Eure werden Sklaven sein.
    Vansen sah Barrick an, der keineswegs so bestürzt schien wie er selbst. Der Junge betrachtete Gyirs Faust nur mit beiläufigem Interesse.
Warum ... warum sagt Ihr uns das?
    Ich sage es nur Euch, Ferras Vansen, der Prinz hat andere Bürden zu tragen — Dinge, die Ihr nicht einmal erahnen könnt. Yasammez hat auch Barrick einen Auftrag erteilt. Ich weiß nicht, worin er letztlich besteht, aber sie hat den Jungen dorthin geschickt, wohin auch ich muss — ins Haus des
Volkes.
Der Pakt des Spiegelglases muss erfüllt werden, deshalb erzähle ich Euch das alles, denn ich weiß, auch wenn Ihr mir nicht gänzlich glaubt, werdet Ihr doch dem Prinzen folgen, wohin er auch geht. Also hört zu!
    Die seltsamen roten Augen fixierten Vansen, gebieterisch und flehend zugleich. Gyirs Gedankenworte schwammen in angstvoller Beschwörung wie Fische in einer schnellen, kalten Strömung.
Wenn ich hier sterbe, müsst Ihr beide mir diesen Gegenstand unbedingt abnehmen und ihn ins Haus des
Volkes
bringen. Ihr müsst. Wenn Ihr es nicht tut, ist alles verloren — Eure Leute und meine, und alles versinkt in Blut und Finsternis. Der Große Verlorene Kampf wird schneller und schrecklicher enden, als es sich irgendjemand hätte vorstellen können.
    Vansen starrte in das fremdartige, fast ausdruckslose Gesicht.
Ihr bittet mich, eine Aufgabe zu erfüllen ... für Euch? Oder für Eure Herrin, wie Ihr sie nennt — für ebenjene Herrin, die den Prinzen verzaubert hat? Für Eure Leute, die Hunderte meiner Garden niedergemacht, Städte in Schutt und Asche gelegt und Unschuldige getötet haben?
Er wandte sich unwillkürlich Barrick zu, aber der Prinz stierte ihn nur an, als

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