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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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versuchte er sich zu erinnern, woher sie sich kannten.
Das ist doch wohl reiner Wahnsinn.
    Ich kann Euch zu nichts zwingen, Ferras Vansen,
sagte der Zwielichtler.
Ich kann Euch nur darum bitten. Ich verstehe Euren Hass auf meinesgleichen nur zu gut — glaubt mir, ich hege Eurem Volk gegenüber dieselben Gefühle und noch heftigere.
Gyir horchte auf.
Wir können jetzt nicht weiter darüber sprechen. Aber ich flehe Euch an, wenn es je soweit kommen sollte — denkt daran!
    Wie könnte ich es vergessen?,
dachte Vansen, jetzt nur an sich selbst gerichtet.
Man hat mich gebeten, den Mördern meiner Leute zu helfen. Und die Götter mögen mir beistehen — mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben.

    Nach dem verwirrenden Gespräch zwischen Gyir und Vansen, von dem er kaum etwas mitbekommen, geschweige denn verstanden hatte, schlief Barrick wieder ein. Die Alpträume, die ihn in den folgenden Stunden quälten, waren im Großen und Ganzen wie die, die ihm die Nächte seines alten Lebens vergällt hatten — Träume von Raserei und Verfolgung, von einer Welt, die ihm unbekannt schien, die ihn aber kannte und fürchtete —, nur plastischer, intensiver und reichhaltiger. Eines aber war ganz und gar neu: In jedem Traum erschien das dunkelhaarige, dunkeläugige Mädchen, als wäre es ebenso seine Zwillingsschwester wie Briony, von seinem eigenen Fleisch und Blut. Barrick kannte das Mädchen nicht, nicht einmal in der paradoxen Welt des Traumes. Es spielte in dem grässlichen Wirrwarr, den seine Phantasie gebar, keine aktive Rolle, sondern war nur die ganze Zeit da, wie eine Schäferin auf einer Hügelkuppe, fern und unbeteiligt, aber eine unbestreitbare, willkommene Präsenz.
     
    Barrick wachte blinzelnd auf. Seine Gefährten hatten ihn in den einzigen Lichtstrahl (wenn man denn etwas so Schwaches dieser Bezeichnung würdigen wollte) gelegt, der durch das Gitterfenster der Tür hereindrang und auf roh vermörtelten Stein fiel.
    Er setzte sich auf, aber die Zelle drehte sich um ihn, und einen Augenblick war ihm, als ob die Leichengrube, die sie gesehen hatten, irgendwie aus der Tiefe nach ihm griff und ihn in den Gestank und in das sich zu Gallert zersetzende Fleisch hinabzuzerren suchte. Trotz der Krämpfe, die ihm durch den Leib fuhren, schaffte er es noch, zu dem Abtritt am anderen Ende der Zelle zu kriechen und sich erst dort zu übergeben. Obwohl sein Magen so gut wie leer gewesen war, füllte der saure Geruch rasch den kleinen Raum, und jetzt schämte er sich auch noch. Ferras Vansen drehte sich weg, als Barrick erneut zu würgen begann und diesmal nur noch galligen Magensaft spuckte. Die rücksichtsvolle Geste des Gardehauptmanns führte allerdings lediglich dazu, dass Barrick sich noch jämmerlicher fühlte. Er hatte Vansens Ohrfeige nicht vergessen. Musste ihn der Mann jetzt auch noch gönnerhaft behandeln? Wie ein Kind?
    Er wollte sprechen, aber ihm fehlte die Kraft. Ihm war heiß und kalt, und sein verkrüppelter Arm schmerzte unerträglich. Vansen und Gyir beobachteten ihn. Als ihm der Gardehauptmann hilfsbereit die Hand hinstreckte, winkte Barrick ab und versuchte das Pulsieren und Hämmern in seinem Arm so lange auszublenden, bis er wieder zur Zellenwand zurückgekrochen war. Er wollte ihnen sagen, er sei einfach nur müde, aber Schwäche übermannte ihn. Er ließ zu, dass sie ihm ein in Wasser getunktes Stückchen Brot verfütterten, und sank dann wieder in einen unruhigen Fieberschlaf.
     
    Was für ein Tag war heute? Der Gedanke wollte nicht recht passen, denn die Namen der Tage waren auch nur noch eine verblassende Erinnerung, so wie der Anblick des Himmels oder angenehme Gerüche wie die von Kiefernnadeln oder warmen Speisen. Plötzlich fiel ihm auf, wie still es um ihn herum war. Barrick wälzte sich herum und setzte sich auf, in seiner Panik fest davon überzeugt, dass man den Qar und den Gardehauptmann fortgebracht hatte und er allein zurückgeblieben war. Er biss die Zähne zusammen, weil ihm schwindlig war und er Sterne sah, doch als sich der Sternensturm legte, sah er Vansen und Gyir in nächster Nähe an der Wand sitzen, mit auf die Brust gesunkenem Kinn — schlafend.
    »Die Götter seien gepriesen«, flüsterte er, und prompt öffneten sich Gyirs rote Augen. Auch Vansen regte sich. Das Gesicht des Soldaten war abgezehrt und dunkel von wucherndem Bartwuchs. Wann war der Mann nur so abgemagert?
    »Wie fühlt Ihr Euch, Hoheit?«, fragte Vansen.
    Barrick musste sich länger räuspern. »Ist das denn

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