Das Spiel
sagt dazu Schießmehl.
Dann feuern sie dort unten tatsächlich Kanonen ab?
Nein. Ich glaube, sie dringen damit in den Fels vor. Ich muss mich jetzt konzentrieren.
Es ging immer weiter hinab, bis der Wächter in einen Raum gelangte, in dem Leichen in den riesigen Korb geladen wurden, der dann von weiteren halslosen, pilzfahlen Wesen mittels einer Winde emporgekurbelt wurde. Herbeigekarrt wurden die Toten auf Erzloren, und den Fahrrillen dieser Loren folgte der Wächter jetzt ins Dunkel.
Noch immer ging es abwärts, aber das Gefälle war hier so sanft, dass die Lorenknechte die Wagen in der Gegenrichtung hinaufschieben konnten. Es waren keineswegs nur Leichentransporte, mindestens zehnmal so viele Wagen, die aus der Tiefe kamen, waren voll mit Erde und Gesteinsbrocken. Diese Loren wurden jedoch in einen abzweigenden Stollen gerollt.
Barrick
fühlte
geradezu, wie Vansen und Gyir zu begreifen suchten, was hier vor sich ging. Ihm selbst aber war schon ganz elend von der Tiefe, der Hitze und den Vibrationen des Krachens und Grollens, das von unter ihnen kam.
Wenn sie mich zwingen würden, hier zu arbeiten,
dachte er,
wäre ich binnen weniger Tage tot.
Barrick Eddon hatte sein Leben lang dagegen angekämpft, dass man ihn für schwächlich oder kränklich hielt, doch da er nun einmal mit einem verkrüppelten Arm zurechtkommen musste, konnte er es nicht leiden, wenn andere ihm in wohlmeinender Absicht etwas vormachten, und noch mehr verabscheute er es, sich selbst etwas vorzumachen.
Nein, ich wäre niemals imstande, so zu schuften wie diese Wesen hier, fast ohne Trinkwasser in diesem grässlichen Staub. Ich würde binnen Stunden sterben.
Während der Wächter weiter abwärts trottete, herrschte um ihn herum immer mehr Betriebsamkeit. Das in unregelmäßigen Abständen erdröhnende Donnerkrachen des Schießmehls, das Gyir Krummlings Feuer nannte, war jetzt so heftig, dass der Wächter ein paarmal fast hinfiel. Hunderte von Gefangenen schoben Loren den endlosen, breiten Stollen hinauf, und so monströs schwer ihre Fracht auch sein mochte, wichen sie doch alle der Wächterkreatur aus, um sie passieren zu lassen.
Endlich sah Barrick das Ende des Stollens, eine bogenförmige Öffnung, vergleichsweise niedrig, aber mindestens zweimal so breit wie das Basiliskentor der Südmarksburg. Als der Wächter hindurchtrat und in einen riesigen Hohlraum gelangte, gegen den selbst die Kaverne mit der Leichengrube winzig wirkte, spürte Barrick, wie ein heißer Luftschwall seiner Wirtskreatur entgegenbrandete, an ihrem verfilzten Fell riss und ihr die Tränen in die Augen trieb, sodass ihre ohnehin verschwommene Sehwahrnehmung noch zusätzlich getrübt wurde. Fackeln markierten die breite Lorenbahn, die sich durch den verwirbelten Staub zog, und auch die Querwege, auf denen weitere Wächter und Gefangene sich mit schwer beladenen Erzloren abplagten. Barrick empfand jeden einzelnen Schritt als ungeheuer mühsam. Der heiße Luftstoß, den er am Kaverneneingang gespürt hatte, beutelte den Wächter immer heftiger, als ob dieser in den Schlund eines keuchenden Drachens vordränge. Diese Luft presste auf Barricks Denken wie rohe, erdrückende Hände, und er fürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen wie ein empfindliches Mädchen.
Spürt Ihr's denn nicht?,
schrien seine Gedanken.
Das ist ein böser Ort — böse! Ich kann nicht mehr!
Nur Mut!
In Gyirs Gedanken lagen seine ganze Kraft und sein ganzes Wissen, und einen Moment lang wusste Barrick wieder, wie es war, dem Zwielichtler rückhaltlos zu vertrauen.
Ich gebe mir Mühe. Aber bei allen Göttern, spürt Ihr beide das denn nicht?
Nicht so stark wie Ihr, scheint mir.
Barrick verabscheute es mehr als alles auf der Welt, schwach zu sein. Seine gesamte Kindheit hindurch hatte ihn nichts leichter zu unbedachtem Handeln verleiten können als die — wenn auch noch so gut gemeinte — Unterstellung, wegen seines verkrüppelten Arms oder seines zarten Alters sei er zu irgendetwas nicht in der Lage. Jetzt aber musste er sich eingestehen, dass er mit seinen Kräften am Ende war. Aller Zuspruch vermochte nichts mehr gegen die Magenkrämpfe und die Übelkeit, die ihn, seit sie an diesem Ort waren, fast pausenlos quälten.
Warum nimmt mich das so mit? Ich bin doch gar nicht wirklich hier! Was geschieht mit mir?
Es war mehr als nur Schmerz und Erschöpfung — Wellen von Angst durchfluteten ihn. Was er zu Gyir gesagt hatte, stimmte. Er spürte es bis ins Mark, in die Seele: Dies war ein böser
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