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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gänsehaut. Überall in der Stadt läuteten jetzt Glocken. Irgendetwas Schreckliches war im Gange.

    Die Glocken des Drei-Brüder-Tempels erdröhnten, als Pelaya gerade in der Familienkapelle die Morgengebete sprach. Das Geläut war so gewaltig, dass sie glaubte, die Wände müssten jeden Moment einstürzen. In der Kapelle drängten sich außer ihr noch ihre Geschwister und ihre Mutter, und als Pelaya sich umdrehte, hätte sie beinah ihren Bruder Kiril von der Bank gestoßen.
    »Zoria sei uns gnädig!« Ihre Mutter eilte zur Tür der Kapelle und drückte Pelayas kleine Schwester der Amme in die Arme, während die Glocken immer weiter dröhnten. »Es brennt! Bringt die Kinder in Sicherheit.«
    »Das ist nicht die Feuerglocke«, sagte Pelaya laut.
    Trotz ihrer Angst fauchte Teloni ärgerlich: »Woher willst du das wissen?«
    »Weil bei Feuer nur eine Glocke geläutet wird. Aber das sind
alle
Glocken.«
    Ihre Mutter wandte sich an Kiril, Pelayas jüngeren Bruder. »Geh und such deinen Vater. Frag ihn, was los ist.«
    »Er ist noch zu klein.« Pelaya war zu aufgeregt, um bei ihrer Mutter und den Geschwistern zu bleiben. »Ich gehe!«
    Ehe ihre Mutter sie aufhalten konnte, war sie schon aufgesprungen und auf dem Weg zur Kapellentür. »Du eigensinniges kleines Biest!«, rief ihre Mutter. »Teloni, geh mit und pass auf deine Schwester auf. Nein, Kiril, du bleibst jetzt hier — ich will nicht, dass all meine Kinder irgendwo herumlaufen.«
    Pelaya war schon draußen, als Kirils Protestgebrüll ertönte, aber sie hörte es trotz der Glocken.
    »Du ungezogenes Ding!«, keuchte Teloni, als sie sie auf dem ersten Treppenabsatz einholte. »Mama hat doch gesagt, Kiril soll gehen.«
    »Warum? Weil er ein Junge ist?« Sie raffte ihre Röcke, um nicht darüber zu stolpern, während sie weiter die Stufen hinaufrannte. Das Treppenhaus füllte sich bereits mit Leuten, die, zum Teil noch im Nachtgewand, wie Schlafwandler aus den Türen kamen, um nachzusehen, was der Lärm zu bedeuten hatte.
    »Langsamer!«
    »Nur weil du Treppen steigst wie eine Kuh, die über ein Gatter will, brauche ich noch lange nicht auf dich zu warten, Teli.«
    »Und wenn es doch brennt?«
    Pelaya verdrehte die Augen und nahm jetzt immer zwei Stufen auf einmal. Bekam denn außer ihr niemand je irgendetwas mit? Deshalb unterhielt sie sich ja so gern mit dem ausländischen König Olin Eddon:
Er
achtete auf das, was um ihn herum vor sich ging, und lobte sie für ihre Aufgewecktheit, wenn sie ebenfalls aufpasste. »Das ist kein Feuer, ich hab's dir doch schon gesagt. Wahrscheinlich läuten sie, weil der Autarch die Stadt angreift.«
    Teloni kam stolpernd zum Stehen und stützte sich an der Wand ab. »Was?«
    »Der Autarch von Xis, du dumme Pute. Hörst du denn nie zu, was Papa sagt?«
    »Pass auf, was du sagst — ich bin deine große Schwester. Was soll das heißen, der Autarch ...
greift an?«
    »Papa bereitet sich doch seit Monaten darauf vor, Teli. Du musst doch irgendwas mitgekriegt haben.«
    »Ja, schon, aber ... ich dachte nicht, dass das wirklich passieren würde. Ich meine, warum denn? Was will der Autarch denn mit Hierosol?«
    »Ich weiß nicht. Was wollen Männer je mit dem, worum sie Krieg führen? Komm jetzt — ich muss Papa finden.«
    »Aber hier kommt er doch nicht herein, oder? Der Autarch? Unsere Mauern sind doch viel zu stark.«
    »Ja, die Mauern sind zu stark, aber er könnte uns belagern. Dann müssten wir alle hungern.« Sie stupste ihre Schwester in die Taille. »Du würdest es nicht lange aushalten, ohne Zuckerwerk und Johannisbrot.«
    »Hör auf, du Biest!«
    »Aber du würdest besser im Treppensteigen! Komm jetzt!« Der Witz klang selbst in Pelayas eigenen Ohren hohl. Es war schwer, ihre meistens so gutmütige und nette Schwester zu hänseln, während diese schrecklichen Glocken über den ganzen Zitadellenberg hallten.
     
    Sie fanden ihren Vater in einem Vorraum des Thronsaals, umgeben von ängstlichen Adligen und geduldigen Wachsoldaten. »Was wollt ihr Mädchen denn hier?«, fragte er, als er sie sah.
    »Mama wollte Kiril zu dir schicken, fragen, was los ist«, sagte Teloni schnell. »Aber Pelaya ist einfach davongeflitzt wie ein Kaninchen, und ich musste ihr hinterherrennen.«
    »Ihr gehört beide nicht hierher — ihr solltet bei eurer Mutter sein und ihr mit den Kleinen helfen.«
    »Was ist los, Papa?«, fragte Pelaya. »Ist es der Autarch ...?«
    Graf Perivos betrachtete sie düster, aber nicht wütend, eher so als wünschte er, sie

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