Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
meinem größten Bedauern, nein. Ich würde ihn gern so vieles fragen. Ich stehe vor mancherlei Unklarheiten, seit ich seine Aufgaben übernommen habe. Mir fehlt sein Rat — und natürlich auch seine Gesellschaft. Wir sind seit vielen Jahren befreundet.«
    »Kennt Ihr Euch mit dem Mond aus?«
    Okros schien ob des jähen Themenwechsels ein wenig verdutzt, zuckte aber die schmalen Schultern und sagte: »Das kommt darauf an. Meint Ihr das Gestirn, das des Nachts und manchmal auch am Tage über uns am Himmel steht — ja, seht, dort ist es, bleich wie eine Meeresmuschel! Oder meint Ihr die silbergliedrige Göttin Mesiya? Oder die Wirkung des Mondes auf die Rhythmen der Frauen und die Gezeiten der Meere?«
    »Nichts von alldem«, sagte Merolanna. »Glaube ich zumindest. Habt Ihr je von etwas gehört, das man das Haus des Mondes nennt?«
    Er schwieg so lange, dass Utta schon dachte, die Frage hätte ihn irgendwie verstimmt, doch als er dann antwortete, klang seine Stimme genau wie vorher. »Meint Ihr den Palast des Khors? Des alten Monddämons, den das Trigon bezwungen hat? In manchen überlieferten Versdichtungen und Geschichten ist von diesem Palast die Rede, und dort wird er das Haus des Mondes genannt.«
    »Ja, das könnte es sein. Besaß Chaven jemals etwas, das man als ein Stück vom Haus des Mondes hätte bezeichnen können?«
    Jetzt schien er die Herzogin so genau zu mustern, als nähme er sie zum ersten Mal wahr. Aber das war natürlich Unsinn. Utta wusste, es waren nur ihre Nerven: Sie sah Gespenster.
    »Was bringt Euch zu einer solchen Frage, Euer Gnaden?«, sagte er schließlich. »Ich hätte nie gedacht, dass ich Euch einmal von solch staubig-akademischen Dingen würde sprechen hören.«
    »Was ist daran so erstaunlich?«, sagte Merolanna ungehalten. »Ich bin doch nicht dumm, oder?«
    »Oh, nein, Euer Gnaden, natürlich nicht!« Okros lachte — etwas nervös, dachte Utta. »Das wollte ich damit keinesfalls sagen. Es ist nur ... diese alten Mythen ... diese entlegenen alten Geschichten ... es überrascht mich, aus Eurem Mund Dinge zu hören, die ich eher von einem meiner gelehrten Mitbrüder in der Bibliothek der Ostmark-Akademie erwarten würde.« Er senkte sinnend den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Chaven sich mit dem Haus des Mondes befasst hätte, werde aber darüber nachdenken und vielleicht sogar einen Blick in die Briefe werfen, die er mir im Laufe der Jahre geschrieben hat — möglicherweise erwähnt er darin etwas von Forschungen, die er angestellt hat, und ich habe es nur vergessen.« Er hielt inne und rieb sich das Kinn. »Darf ich fragen, was Euch veranlasst, Euch dafür zu interessieren?«
    »Ach ... nur etwas, das ich gehört habe«, antwortete Merolanna. »Ich dachte nur, Chaven hätte einmal etwas in dieser Richtung erwähnt — zweifellos ein Irrtum.«
    »Ist es Euch wichtig, Euer Gnaden? Ist es etwas, zu dessen Beantwortung ich mit meinem bescheidenen Wissen und der Unterstützung meiner Freunde an der Akademie beitragen könnte?«
    »Nein, es ist nicht so wichtig«, erwiderte Merolanna. »Falls Ihr irgendetwas über Chaven und diese Sache mit dem Haus des Mondes herausfinden solltet, können wir uns ja vielleicht noch einmal darüber unterhalten. Aber macht Euch nicht zu viel Mühe damit.«
    Nachdem Okros sich verabschiedet hatte, gingen die beiden Frauen durch die Hauptburg zum Palast. Es schneite leicht, aber bislang war auf den gepflasterten Wegen nur ein leichter weißer Hauch liegen geblieben. Der Himmel war jedoch so dunkel wie verbrannter Teig, und Utta dachte bei sich, dass am nächsten Morgen wohl alles verschneit sein würde.
    »Das ist doch ganz gut verlaufen«, sagte Merolanna. Ihre Stirn war gerunzelt, das Hinken jetzt noch ausgeprägter. »Er wirkte doch sehr hilfsbereit.«
    »Er weiß etwas. Habt Ihr das nicht gemerkt?«
    »Doch, natürlich habe ich das bemerkt.« Unmut vertiefte die Furchen auf Merolannas Stirn. »Alle Männer und vor allem die Gelehrten glauben doch, solches Wissen gehörte nur ihnen allein. Er weiß aber auch, dass er uns etwas geben muss, um etwas zu bekommen.«
    »Ist Euch denn nie in den Sinn gekommen, dass das ein gefährliches Spiel sein könnte?«
    Merolanna sah Utta verwundert an. »Sprecht Ihr von Bruder Okros? Die Burg ist voller Gefahren, meine Liebe — allein schon die Tollys können einem Alpträume bereiten. Aber Bruder Okros ist so harmlos wie warme Milch. Vertraut mir.«
    »Mir bleibt ja kaum etwas anderes übrig«, entgegnete

Weitere Kostenlose Bücher