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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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verkrusteten Hände des Arztes. »Schnell, bring mir Wasser und meinen Kräuterkorb, Alter, aber leise. Wir können's nicht brauchen, dass uns der Junge auch noch zwischen den Füßen herumläuft.«
    Chert tat, wie ihm geheißen.
    Als Opalia Chavens Brandwunden schließlich mit schwachem Salzwasser gesäubert und mit Auflagen von Moospaste bedeckt hatte und sie mit sauberen Stoffstreifen zu verbinden begann, war der verletzte Arzt bereits eingeschlafen. Jedes Mal, wenn sie eine Binde straff zog, schlug ihm das Kinn gegen die Brust.
    Opalia stand auf und begutachtete ihr Werk. »Kann man ihm vertrauen?«, fragte sie leise.
    »Er ist der Anständigste unter den Großwüchsigen, die ich kenne.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage, alter Narr.«
    Chert musste lächeln. »Wie schön, mein Schatz, dass dich die Strapazen der letzten Zeit nicht die Gabe gekostet haben, dir Kosenamen auszudenken. Wer kann das schon sagen? Die ganze Welt dort oben steht auf dem Kopf. Ach, was heißt ›dort oben‹? Wir haben hier in unserem eigenen Haus ein Kind der Großwüchsigen, das irgendwie in diesen Krieg mit dem Elbenvolk verwickelt ist. Alles ist aus den Fugen, über der Erde
und
hier.«
    »Verletzungen hin oder her, ich will diesen Mann nicht im Haus haben, solange du mir nicht sagst, dass man ihm vertrauen kann. Wir müssen an das Kind denken.«
    Chert seufzte. »Er ist einer der anständigsten Männer, die ich kenne, egal, ob normal oder großwüchsig. Und vielleicht versteht er ja, was mit Flint passiert ist.«
    Opalia nickte. »Gut. Er wird etliche Stunden schlafen — hat einen ganzen Becher Moosbier im Leib und bestimmt nicht mehr viel Blut, mit dem es sich vermischen könnte. Wir sehen am besten zu, dass wir selbst noch ein bisschen Schlaf kriegen.«
    »Du bist ein Wunder«, erklärte er ihr, als sie wieder unter die Decke schlüpften. »All die Jahre, und ich kann mein Glück immer noch nicht fassen.«
    »Da sind wir schon zwei, die dein Glück nicht fassen können.« Aber sie klang doch immerhin ein bisschen erfreut. Und was noch wichtiger war: Während sie die Wunden des Arztes versorgt hatte, hatte Chert in ihren Augen etwas gesehen, das da nicht mehr gewesen war, seit er Flint nach Hause zurückgebracht hatte — Energie. Wieder etwas von der alten Opalia zum Vorschein kommen zu sehen, war doch wohl einiges Risiko wert.
     
    Chaven konnte das Brot kaum halten, aber er schlang es hinunter wie ein Hund, der tagelang in einer verlassenen Kate eingesperrt war. Was, wie sich herausstellte, als er zu erzählen begann, der Wahrheit ziemlich nahe kam.
    »Ich habe mich in den unterirdischen Gängen gleich bei meinem Haus versteckt.« Er unterbrach sich, um sich mit dem Ärmel etwas Wasser vom Gesicht zu wischen, das bei seiner unbeholfenen Handhabung des Bechers danebengeflossen war. »Die Geheimtür, Ihr kennt sie ja, Chert — da ist ein Täfelungspaneel, das aus der Gangwand im Haus kommt und die Tür vor neugierigen Blicken verbirgt. Ich habe es hinter mir geschlossen und mich in den unterirdischen Gängen verkrochen wie ein gehetzter Fuchs. Ich konnte noch eine Wasserflasche mitnehmen, die ich auf meiner letzten Reise dabeigehabt hatte, aber um etwas zu essen zusammenzupacken, war keine Zeit mehr.«
    »Dann bedient Euch«, sagte Chert. »Aber esst langsam. Warum solltet Ihr Euch verstecken müssen? Was ist mit der Welt dort oben los? Wir hören alle möglichen Geschichten, und selbst wenn sie nur halb- oder viertelswahr sind, sind sie doch unglaublich und erschreckend — unser Heer vom Schattenvolk geschlagen, die Prinzessin und ihr Bruder tot oder davongelaufen ...«
    »Briony ist nicht davongelaufen«, sagte Chaven düster. »Darauf würde ich mein Leben verwetten. Ja, ich habe es sogar schon getan.«
    Chert schüttelte verwirrt den Kopf. »Wovon redet Ihr?«
    »Das ist eine lange Geschichte und noch unglaublicher als alles, was Ihr von Schattenheeren gehört haben mögt ...«
    Opalia stand abrupt auf, als von hinter ihnen ein Geräusch kam. Flint stand in der Tür, bleich und verschlafen. »Was machst du denn hier? Du gehörst doch ins Bett«, sagte sie.
    Der Junge sah sie stumpf und ausdruckslos an. Bei allem, was vorher an ihm seltsam oder gar beängstigend gewesen sein mochte, dachte Chert, war dieser leblose, gleichgültige Blick doch weit schlimmer. »Durst.«
    »Ich bringe dir Wasser, Kind. Du darfst noch nicht aufstehen, wo das Fieber doch gerade erst weg ist.« Opalia sah Chert und Chaven mahnend an.

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