Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Tyne haben wir seit Tagen keine Nachricht, und die Überlebenden, die sich bis hierher durchgeschlagen haben, konnten uns wenig berichten.« Etliche in der Menge blickten über den schmalen Buchtarm hinüber nach Südmarksstadt, das jetzt still und scheinbar verlassen dalag. Sie alle hatten das Singen und das Dröhnen der Trommeln in der Nacht gehört und die Brände gesehen. »Wir geben die Hoffnung natürlich nicht auf, aber im Augenblick müssen wir davon ausgehen, dass unser Prinz gefallen oder in Gefangenschaft geraten ist. Es liegt in der Hand der Götter.« Brone hielt inne, während sich eine rasch anschwellende Welle von Geschrei und Verwünschungen erhob. Als er weitersprach, war seine Stimme immer noch laut, aber nicht mehr so klar und gefasst wie vorher; das allein genügte schon, um die Menge zur Ruhe zu bringen. »Bitte! Denkt daran, Olin ist immer noch König von Südmark! Er mag im Süden in Gefangenschaft sitzen, aber er ist immer noch unser König — und seine Blutslinie bleibt erhalten!« Er zeigte auf eine junge Frau, die neben Hendon Tolly stand, plump und unscheinbar — eine Amme, die etwas hielt, das möglicherweise ein Säugling war, aber von Matty Kettelsmits Warte aus ebenso gut ein leeres Deckenbündel hätte sein können, so wenig vermochte er zu erkennen. »Seht, da ist der jüngste Spross des Königs«, erklärte Brone, »ein weiterer Sohn, geboren in der Winterfestnacht! Königin Anissa lebt! Das Kind ist gesund! Das Geschlecht der Eddons besteht fort!«
    Jetzt wedelte Brone mit den Händen, bat mehr um Ruhe, als sie zu gebieten, und Kettelsmit konnte nicht umhin, sich zu wundern, wie sich dieser Mann, der ihn bis in die Zehenspitzen eingeschüchtert hatte, so verändert haben konnte, als ob etwas in ihm irreparabel zerbrochen wäre.
    Aber was ist daran so verwunderlich? Briony, unsere gütige, wundervolle Prinzessin, ist verschwunden, und der junge Barrick ist zweifellos tot, ermordet von diesen übernatürlichen Monstern.
Kettelsmits Dichterseele erkannte die romantische Stimmigkeit, die Symmetrie der verschollenen Zwillinge, konnte aber für den Bruder beim besten Willen nicht dieselben Gefühle aufbringen. Briony vermisste er aufrichtig, und er fürchtete um sie — sie war Matt Kettelsmits Gönnerin gewesen. Barrick hingegen hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ihn verachtete.
    Brone machte jetzt Hendon Tolly Platz, der — für seine Verhältnisse jedenfalls — ungewöhnlich dezent gekleidet war: schwarze Hose, graue Tunika, pelzgefütterter, schwarzer Mantel und nur hie und da ein Hauch von Gold oder Smaragd. Hendon galt als einer der modebewusstesten Männer nördlich des eleganten Hofes von Tessis. Kettelsmit, der ihn bewunderte, ohne ihn zu mögen, hatte immer schon ein ausgeprägtes Empfinden für die Kleidungsnuancen unter Höhergestellten gehabt, und der jüngste der Tolly-Brüder schien seine neue Rolle als verlässlicher Beschützer des Volkes zu genießen.
    Hendon hob die Hand, die fast gänzlich von der breiten Ärmelrüsche verhüllt war. Sein schmales, gewöhnlich so bewegliches Gesicht war eine Maske empfindsamer Trauer. »Wir Tollys sind vom selben altehrwürdigen Blut wie die Eddons — König Olin ist nicht nur mein Lehnsherr, sondern auch mein Onkel, und trotz des Stiers auf unserem Wappenschild fließt in unseren Adern das Wolfsblut. Wir geloben, uns bis zum letzten Tropfen dieses Blutes für den Schutz des jungen Thronfolgers einzusetzen.« Hendon senkte einen Moment den Kopf, als ob er betete oder vielleicht auch nur angesichts der Gewichtigkeit dieser Aufgabe das Haupt in Demut neigte. »Wir alle haben in diesem schlimmen Winter schmerzliche Verluste erlitten, besonders wir Tollys, die wir unseren Bruder, Herzog Gailon, verloren haben. Aber habt keine Angst! Mein zweiter Bruder, Caradon, der neue Herzog von Gronefeld, hat geschworen, die Bande zwischen unseren Häusern noch zu stärken.« Hendon Tolly richtete sich auf. »Viele von euch fürchten sich wegen beunruhigender Nachrichten, die vom Schlachtfeld kommen, und wegen der Nähe des Feindes aus dem Norden — jenes Feindes, der in diesem Augenblick vor unseren Toren steht, gleich auf der anderen Seite der Bucht. Ich habe einige unter euch von einer Belagerung reden hören. Ich frage euch, welche Belagerung?« Er deutete mit einer ausholenden Armbewegung zu der gespenstisch stillen Stadt auf der anderen Seite des Wassers hinüber, wobei sein Ärmel flatterte wie ein Krähenflügel. »Kein Pfeil,

Weitere Kostenlose Bücher