Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ersparen.« Die Ungeheuerlichkeit dessen, wovon er sprach, ließ sein Herz stocken. »Und da ist noch etwas, worum ich dich bitten möchte.« Er griff in den Ärmel seines Hemds und zog ein Silbermöwenstück hervor. Er hatte sich Geld von Puzzle leihen müssen, Geld, das er unmöglich zurückzahlen konnte, aber ausnahmsweise trieb ihn etwas noch Mächtigeres als die — in seinem Fall auch nicht gerade unterentwickelte — Bedachtheit auf das eigene Wohl. »Ich gebe dir das hier und noch eines hinterher, wenn du mir hilfst, Brigid — aber kein Wort zu Conry. Abgemacht?«
    Sie starrte die Münze verblüfft an. »Ich helfe dir nicht, jemanden zu ermorden«, hauchte sie, sah aber aus, als wäre sie sich da selbst nicht so sicher.
    »Es ist ... es ist kompliziert«, sagte er. »O Götter, es ist schrecklich kompliziert. Bring mir ein Bier, dann will ich versuchen, es dir zu erklären.«
    »Du brauchst aber noch einen Seestern«, sagte sie, »für die zwei Bier — eins natürlich für mich! — wenn diese ganze Möwe an mich gehen soll.«
     
    Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal bei Tag in der Gegend um die Skimmerlagune gewesen war — wobei es ihn ohnehin noch nicht oft hierher verschlagen hatte. Was eigentlich erstaunlich war, da der
Sauschwanz,
das Gasthaus, wo er gewohnt und den größten Teil seiner Zeit zugebracht hatte, nur ein paar Hundert Schritt vom Rand des Lagunenviertels entfernt lag. Aber es gab da eine ganz klare Grenze an der Barkstraße, die nach dem Wirtshaus
Zur Roten Bark
hieß, das am einen Ende lag: Außer den Ärmsten der Armen von Südmark, die ebenfalls mit der Feuchtigkeit und dem Fischgeruch des Lagunenviertels lebten, waren hier nur Skimmer anzutreffen. Anders war es erst nach Einbruch der Dunkelheit, wenn Gruppen junger Männer hier herunterkamen, um die diversen Schenken an der Lagune zu besuchen.
    Kettelsmit bog jetzt in die Barkstraße ein und folgte ihr bis zum Robbenfängerkai, der Hauptstraße des Viertels, die an der Lagune entlangführte, bis sie dann am Marktplatz im Schatten der neuen Mauer endete. Von Sonnenschein konnte man nicht gerade sprechen, aber immerhin bot der graue Vormittagshimmel überhaupt Licht, und Kettelsmit war froh darüber: Die Barkstraße war so schmal, dass er sich leicht einbilden konnte, dass sich aus den Haustüren Skimmerarme reckten, um nach ihm zu greifen. Tatsächlich sah er so gut wie niemanden, nur ein paar Frauen, die Unrateimer in die Rinnsteine entleerten, und Kinder, die im Spiel innehielten, um ihm mit großen, starren Augen nachzuschauen. Sie waren irgendwie so beunruhigend, diese starrenden Kinder, dass er merkte, wie er schneller ging, um den Robbenfängerkai zu erreichen, den er ziemlich gut kannte und wo er vielleicht ein paar Leute seiner eigenen Sorte treffen würde.
    Der Robbenfängerkai war vermutlich der einzige Teil der Skimmerlagune, den die meisten Burgbewohner überhaupt je aufsuchten, die Fischer und ihre Frauen, um Amulette zu kaufen — die Skimmer galten als Verfertiger besonders wirksamer Amulette, vor allem, wenn es um Schutz auf dem Wasser ging —, andere, um in den Wirtshäusern an der Lagune Fischsuppe zu essen oder jenen seltsam salzigen Schnaps namens »Wickeril« zu trinken. Viele Leute aber, vor allem solche, die von außerhalb kamen, wollten weiter nichts als einmal etwas anderes sehen, denn der Robbenfängerkai, die Lagune und die Skimmer selbst waren so ziemlich das Ausgefallenste, was irgendein Markenländer diesseits der Schattengrenze zu Gesicht bekommen konnte. Selbst Besucher aus Brenland, Fael und anderen Ländern kamen hierher an die Lagune, da die Skimmer von Südmark, abgesehen von dem Seevolk in Syan und ein paar Siedlungen auf den fernen, südlichen Inseln, wirklich etwas ganz Besonderes waren.
    Ihre Nahrung bezogen sie fast ausschließlich aus der Bucht und dem dahinter gelegenen Meer — sie aßen Seetang! —, und sogar der Wickeril schmeckte wie etwas, das man aus einem lecken Boot geschöpft hatte. Die langarmigen Skimmermänner waren selbst bei rauem Wetter von der Taille aufwärts kaum bekleidet, und wenn auch die Frauen bodenlange Kleider und Kopftücher trugen, hatte Kettelsmit doch gehört, das habe ausschließlich Schicklichkeitsgründe — sie seien genauso unempfindlich gegen Kälte wie ihre Männer. Unter anderen Umständen hätte ihn diese Rätselhaftigkeit ja — wie bei einigen weiblichen Reisenden, denen er begegnet war, darunter sogar die eine oder andere bis

Weitere Kostenlose Bücher