Das Spiel
versprach, den drei göttlichen Brüdern und ihrer himmlischen Stadt viel Nützliches zu schenken. Und so geschah es denn auch. Er lehrte sie die Heilkunst und andere Fertigkeiten und sogar die Herstellung von Wein, so dass die Sterblichen den Göttern neben Fleisch und Blut auch Trankopfer darbringen konnten.
Der Anbeginn der Dinge,
Buch des Trigon
Utta starrte ihr Spiegelbild an. Überhaupt in einen Spiegel zu schauen, war schon ein außerwöhnliches Erlebnis, denn das eigene Spiegelbild zu betrachten, war unter Zorienschwestern verpönt. »Ich kann mir nicht helfen«, sagte sie. »Ich sehe aus wie jemand auf einer Schauspielbühne.«
»Das tut Ihr nicht«, sagte Merolanna, die für einen Moment hinter einer Puderwolke verschwand, als ihre kleine Jungfer Eilis Uttas Gesicht energisch mit der Quaste bearbeitete. »Ihr seht ausgesprochen gut aus — wie ein hochgeborener Edelmann.«
»Ich soll aber doch kein Edelmann sein, nicht einmal in dieser lächerlichen Kostümposse, sondern ein gewöhnlicher Diener. In Wahrheit bin ich doch keins von beidem, Euer Gnaden, sondern eine alte Frau. Warum also dieser Mummenschanz?«
»Ihr müsst mir vertrauen«, entgegnete die Herzogin und wedelte den letzten Puder weg. Die kleine Dienerin fing an zu husten, weshalb Merolanna sie aus dem Zimmer schickte. »Ich kann nun mal nicht tun, was getan werden muss«, sagte sie, als sie allein in dem Schlafgemach waren, »weil ich bei der Segnungszeremonie anwesend sein muss, zumal jetzt auch noch Herzog Caradon nach Südmark kommt. Die Tollys machen sich hier immer breiter, also müssen wir Eddons uns zeigen. Ich muss hin. Und deshalb müsst Ihr Euren Teil beitragen, meine Liebe.«
Aber ich bin keine Eddon.
Utta sah die Herzogin an und bemühte sich, eine gewisse Strenge in ihren Blick zu legen. Sie fand, dass Merolannna über dieser ganzen Sache mit ihrem verschwundenen Sohn ein wenig leichtsinnig geworden war; ihre Pläne wurden immer bizarrer und abenteuerlicher, und sie tat, als ob das, was sie jetzt vorhatten, wirklich nicht gefährlicher wäre als ein kleines Kostümspiel. Und Utta hatte zudem das deutliche Gefühl, dass sie selbst bei dem Ganzen zu einer Art Fußsoldat geworden war, der jedem Befehl zu gehorchen hatte.
»Ich kann ja verstehen, wie Euch wegen des Kindes zumute ist ...«, begann sie.
»Nein, das könnt Ihr nicht, Schwester«, sagte die Herzogin mit wenig überzeugender Munterkeit. »Nur eine Mutter kann das. Also lasst uns einfach weitermachen, ja?«
Utta seufzte.
Als sie fertig war und all die ungewohnten Bändel geschnürt, alle Schnallen geschlossen waren, warf Utta noch einen letzten Blick auf das mürrische Wesen im Spiegel — ein älterer, etwas weibischer Diener, angetan mit bräunlichgrauen Kleidern und einem formlosen Hut. Es fühlte sich skandalös an, so viel bestrumpftes Bein zu zeigen, aber Männer machten das jeden Tag. Sie kniff kritisch die Augen zusammen.
»Alle Männerkleider der Welt schaffen es nicht, dass eine Frau wirklich so aussieht. Wie ein Mann, meine ich. Unsere Gesichter haben einfach nicht die richtige Form.« Sie fuhr mit ihrem Finger ihre viel zu zarte Kinnpartie nach.
»Deshalb werden wir Euch ja auch das hier umwickeln«, sagte Merolanna forsch und schlang die Bänder des Hutes wie einen Schal um Uttas Kinn und Hals. »Es ist kalt heute — das wird niemandem auffallen. Schon gar nicht an einem solchen Tag.«
»Aber ist das Ganze denn wirklich klug?« Sie glaubte ziemlich sicher zu wissen, dass es das nicht war, war aber hin- und hergerissen zwischen ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer Loyalität Merolanna gegenüber.
»Um ehrlich zu sein, Utta, das ist mir egal.« Die Herzogin klatschte in die Hände, was die kleine Dienerin wieder herbeirief. »Hilf mir mit meinen Juwelen, Eilis, sei so gut.« Merolanna wandte sich an Utta. »Jetzt solltet Ihr Euch auf den Weg machen. Wir haben nur noch ein paar Stunden — es ist immer noch Winter und wird schon so früh dunkel.«
Utta war sich noch nicht einmal sicher, ob der Plan überhaupt etwas taugte, daher fragte sie sich, ob es wirklich nötig war, sich wegen der vagen Aussicht auf eine eventuell in den kommenden Stunden wachsende Gefahr so zu beeilen, aber sie hatte schon vor langem gelernt, dass man Merolanna nur mit äußerster Kraft und Geduld von etwas abbringen konnte.
»Nun gut«, sagte sie. »Wir treffen uns dann hinterher wie vereinbart.«
»Danke, meine Liebe«, sagte Merolanna und stand so still wie eine
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