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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Statue, während sich ihre Dienerin abmühte, den Verschluss eines Halsschmucks einzuhaken, der so schwer wirkte wie eine silberne Ankerkette. »Sehr nett von Euch.«

    Sooft er sie ansah, musste Matthias Kettelsmit gleich wieder wegschauen. Er war sich sicher, dass ihm das Schuldgefühl und das Verlangen aus dem Gesicht leuchten mussten wie die Glut der brennenden Kohlenpfanne auf dem Altar. Nur einmal hatte Elan M'Cory den Kopf gehoben, um seinen Blick über die ganze Weite des Trigonatstempels zu erwidern, doch selbst aus fünfzig Schritt Entfernung hatte ihn diese immaterielle Berührung mit solcher Wucht getroffen, dass er beinah laut nach Luft geschnappt hätte. Auch bei diesem offiziell doch festlichen Anlass trug sie schwarze Kleider und einen Halbschleier, so als wäre sie der einzige Mensch auf der Südmarksburg, der noch um Gailon Tolly trauerte — was sie wahrscheinlich auch war. Kettelsmit hatte nie herausbekommen, was Gailon für Elan gewesen war, ob heimlicher Liebhaber, Hoffnung auf eine gute Partie oder etwas noch schwerer zu Verstehendes, aber es bestätigte ihn in seiner Überzeugung, dass nichts unergründlicher war als das Herz einer Frau.
    Hendon, der jüngste Bruder des toten Herzogs, stand neben Elan, in elegantem Taubengrau mit schwarzen Besätzen und so üppig geschlitzten Ärmeln, dass seine Arme dicker wirkten als seine Beine. Elan M'Cory mochte ja für Matt Kettelsmit die wichtigste Person im Raum sein, aber für Hendon Tolly war es offenkundig die Frau an seiner anderen Seite. Der Reichshüter sah Elan nicht einmal an, geschweige denn, dass er mit ihr gesprochen hätte. Er verbrachte vielmehr den größten Teil der Segnungszeremonie damit, mit Königin Anissa zu flüstern. Es war das erste Mal seit der Geburt des Kindes, dass sich die Königin in der Öffentlichkeit zeigte. Sie wirkte blass, aber glücklich und durchaus geneigt, sich vom gegenwärtigen Herrscher Südmarks den Hof machen zu lassen.
    Die Amme neben ihr hielt den kleinen Prinzen, und als Kettelsmit das kleine rote Gesicht betrachtete, konnte er nicht umhin, sich zu wundern, in was für ein seltsames Leben dieses Kind hineingeboren worden war. Noch vor wenigen Monaten wäre der kleine Olin Alessandros der jüngste Spross einer ansehnlichen Familie gewesen, das glückliche Kind eines gesunden Monarchen in Friedenszeiten, mit nichts Belastenderem vor sich, als Teil der mächtigsten Familie der Markenlande zu sein. Jetzt war er fast allein auf dieser Welt: ein Bruder tot, einer verschollen, die Schwester ebenso, und der Vater in Gefangenschaft. Wenn Matthias Kettelsmit etwas so Unfertiges wie einen Säugling hätte bemitleiden können (und es fühlte sich schon fast an, als könnte er es) — ja, dann wäre der kleine Prinz Olin ein guter Kandidat dafür, auch wenn er von Geburt an alles hatte, wonach sich der Dichter so sehnte.
    Nun ja, fast alles. Es gab eines, was ihm auch königliches Geblüt nicht verschafft hätte, und gerade jetzt brannte dieses unerfüllte Sehnen so heftig in Kettelsmits Herzen, dass er kaum stillstehen konnte. Und heute Abend ... das Schreckliche, das er heute Abend tun musste ...!
    Er blickte wieder in Elans blasses Gesicht, aber sie hatte die Augen niedergeschlagen. Wenn sie es doch nur verstehen könntel Aber sie konnte es nicht, wie sich nur zu deutlich gezeigt hatte. Sie hatte ihr Herz dem Tod geöffnet. Sie wollte keinen anderen Verehrer.
    Hierarch Sisel beendete die Anrufung der Madi Surazem, indem er der Göttin dafür dankte, dass sie Kind und Mutter während der Geburt beschützt hatte. Kettelsmit dachte, dass der Hierarch abgespannt und besorgt aussah — aber für wen galt das nicht? Der Schatten der Zwielichtler lag über der Burg wie ein Leichentuch und ließ selbst die Herzen derer frösteln, die so taten, als spürten sie nichts. Und er machte sich auch noch anderweitig bemerkbar: Im Hafen landeten weniger Schiffe, und wegen der ganzen Flüchdinge aus der Stadt und den Festlandsdörfern gab es viel mehr Mäuler zu stopfen, während gleichzeitig viele Bauernhöfe verlassen waren. So wenig er auch von solchen Dingen verstand, konnte sich doch selbst Matt Kettelsmit an allen fünf Fingern abzählen, dass ein Frühjahr, in dem keine Saat ausgebracht wurde, für Südmark der Anfang vom Ende sein konnte.
    Hierarch Sisel stand hinter einem kleinen Altar, der eigens für die Zeremonie errichtet worden war, damit das Zeremonialfeuer auf dem großen Steinaltar platziert werden konnte. Hinter ihm

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