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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gefangener. Als diejenigen, die sich befreien konnten, davongekrochen waren, lag der Elbe reglos dort, wo er hingefallen war, das glatte Gesicht im Staub.
    »Wer sagt denn, dass es dein Blut ist, das ich will, du kleiner Welpe Brises?«
Kituyik lachte wieder, ein tiefes, dröhnendes Lachen der Genugtuung, das die Höhlendecke zum Einsturz zu bringen drohte. Seine Hand fuhr wieder hervor und warf Vansen zu Boden, schloss sich dann um Barrick, der einen dünnen Schreckensschrei ausstieß, bis ihm alle Luft aus der Lunge gequetscht war. Kituyik ließ den erschlafften Prinzen zwischen die Wächter fallen.
»Der da — das Sterblichenkind. Ich rieche die Feuerblume in ihm. Sein Blut wird hervorragend geeignet sein.«
    Während die Wachen Barrick zu dem dräuenden Tor schleiften, kämpfte Vansen erbittert gegen die Holzfesseln an, aber sie waren zu eng, um herauszuschlüpfen, und zu massiv, um sie zu sprengen. Ferras Vansen heulte gepeinigt auf. Was auch immer geschah, er würde mit Sicherheit ebenfalls sterben, doch der drohende Tod des Prinzen schien das schlimmere Scheitern, von noch schrecklicherer Endgültigkeit.
    Etwas packte ihn am Arm. Vansen trat um sich, und einer der stinkenden, zottigen Wächter fiel rückwärts, stand aber sofort wieder auf und kam erneut auf ihn zu. Gegen das Unausweichliche ankämpfend, schaffte es Vansen, einen weiteren Tritt (von noch geringerer Wirkung) zu landen, bevor er merkte, dass irgendetwas am Gesichtsausdruck der Kreatur seltsam war. Die affenartigen Züge waren schlaff, und der Blick wanderte träge umher, auf nichts fokussiert, so als wäre der Wächter blind. Außerdem hielt er einen Schlüssel in der plumpen, krallenbewehrten Hand.
    Wenn sie meine Fesseln lösen wollen, bevor sie mich töten, bedeutet das nur, dass ich einige von ihnen mitnehmen werde. Aber warum sollten sie dieses Risiko eingehen? Als das Wesen grob an seinen Handschellen herumhantierte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er diesen benebelten Gesichtsausdruck schon gesehen hatte: an den Kreaturen, die Gyir sich zu Willen gemacht hatte. Vansen sah den Elben an. Das Sturmlicht starrte ins Nichts, die Augen vor Konzentration so verengt, dass sie kaum mehr als Hautfalten waren. Ein weiterer Wächter stand hinter Gyir und machte sich an dessen Fesseln zu schaffen, doch selbst wenn der Elbe beide steuerte, wurde die Zeit knapp.
    Die Wächter hatten Prinz Barrick direkt vor das mächtige Tor geschleppt, das höher und breiter über ihnen aufragte als die Fassade des großen Tempels in Südmark. Ueni'ssoh, der leichenhafte graue Mann, ging langsam auf Barrick und die Wächter zu, bis er neben ihnen stand, und hob dann die skelettartigen Hände.
»O Feueräugiger, Weißgeflügelter, höre uns durch die leeren Orte!«,
    intonierte er mit seiner harten, gefühllosen Stimme,
»O Blasse Frage, schenke uns Gehör!«
    Vansen verstand jedes Wort, aber es war eine Sprache, die er nie zuvor gehört hatte, so wenig menschlich wie das Zirpen einer Grille: Die Worte des grauen Mannes waren für Vansens Ohren nur eine verschwommene Abfolge von Lauten, aber in seinem Kopf war die Bedeutung klar.
»O Herrscher der Würmer, geleite uns durch alles Dunkel!«,
    sang Ueni'ssoh,
»O leerer Kasten, schenke uns Gehör!«
    Die Stimme des grauen Mannes wurde jetzt lauter oder gewann anderswie an Kraft, denn sie schien Ferras Vansens Kopf anzufüllen wie Wasser, das sich spritzend in eine Schüssel ergoss, immer lauter und lauter, bis er kaum noch denken konnte, obwohl die tatsächlichen Laute so gemessen und gemächlich dahinzufließen schienen wie zuvor. Dies war ein Kerneia-Gesang, wie er ihn nie zuvor gehört hatte, wenn Vansen auch glaubte, hie und da ein paar Worte wiederzuerkennen, die alten Worte der Trauer, die sein Großvater am Grab seiner Großmutter in den Hügeln gesungen hatte. Doch die schreckliche, monotone Stimme des grauen Mannes ließ in Vansens Kopf Bilder erstehen, die nichts mit den Gräbern seiner verstorbenen Familienmitglieder zu tun hatten. Eine grellrot erleuchtete Welt voller huschender Schatten nahm sein ganzes Denken ein, ein Ende aller Dinge, so unwiederbringlich und schrecklich, dass es auf seinem Herzen lastete wie ein ungeheures Gewicht.
    Der im Bann des Elben stehende Wächter mühte sich noch immer mit den Handschellen ab. Noch war Vansen nicht frei — er durfte sich von der Stimme nicht überwältigen lassen. Er durfte nicht versagen.
»Sieh, wie sich das Dunkel in uns windet wie ein Fluss
Es ist Zeit

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