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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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aber Feival hat ihn mir zugeflüstert.«
    »Das wird er, wenn nötig, auch wieder tun. Aber du kennst doch die Geschichte, mein Mädel — äh, ich wollte sagen, mein Junge.« Er grinste. »Wenn du einen Aussetzer hast, dann versuch, einfach irgendetwas Passendes zu sagen. Kennit und Makswell und die anderen sind alte Hasen und werden schon dafür sorgen, dass du den Faden wiederfindest.«
    So ähnlich hatte ihr der alte Steffans Nynor auch immer zugeredet, wenn es um höfische Abläufe ging, und wie beim komplizierten Protokoll der Rauchzeremonie, das sie für das Kerzenfest der Demia hatte büffeln müssen, fürchtete sie auch jetzt, dass es keineswegs so leicht sein würde, wie alle sagten.
     
    Das Esterostal war vermutlich das fruchtbarste Gebiet von ganz Eion: ein schmaler Streifen schwarzer Erde zwischen sanften Hügeln, der sich vom Nordende des Strivothos-Sees — wo sich die Stadt Tessis ausgebreitet hatte — bis zu den Bergen nordösdich des Herzwalds erstreckte; alles in allem war das Flusstal vielleicht hundert Meilen lang. Briony erinnerte sich, dass ihr Vater gesagt hatte, auf diesem schmalen Streifen Land dränge sich bestimmt ein Viertel aller Einwohner Eions, und jetzt, da sie sah, dass fast jedes Fleckchen Erde an den Berghängen von Bauernhöfen besetzt war und die Städte (die gutenteils fast so groß waren wie die der Markenlande, Südmarkstadt selbst einmal ausgenommen) entlang der breiten, gepflasterten Straße und auch am Ostufer des Flusses regelrecht aneinanderstießen, fiel es ihr leicht, das zu glauben.
    Ugenion, die einstmals stolze Handelsstadt, die inzwischen einiges von ihrem Glanz eingebüßt hatte, Onir Diotrodos mit seinem berühmten Wassertempel, Doros Kallida — alle diese Orte passierte die kleine Karawane der Schauspieler. Manchmal folgten sie der Königlichen Fernstraße (die teilweise noch König-Karal-Straße hieß) nur wenige Stunden, ehe sie im nächsten wohlhabenden Städtchen oder Dorf haltmachten. Syan war dem, was Briony bisher gekannt hatte, so ähnlich und doch so anders, dass sie noch mehr Heimweh hatte als sonst. Die Menschen sprachen die gemeinsame Sprache mit einem Akzent, der alles so verschliff, dass Briony manchmal kaum etwas verstand (wobei Finn Teodorus sie genüsslich belehrte, dass diese Sprache hier zuerst gesprochen worden war und streng genommen Briony diejenige war, die einen Akzent hatte). Tatsächlich machten sich manche Zuschauer darüber lustig, wie Makswell und die anderen sprachen, und äfften sie laut nach: Für ihr Ohr klang die markenländische Sprechweise offenbar hart und abgehackt. Dennoch schienen die Syanesen die Zerstreuung zu genießen, und Nevin Kennit erklärte ihr eines Tages, dass die Leute hier solche Dinge eher gewohnt seien als die Dörfler der Markenlande und selbst die Bewohner der Südmarksburg.
    »Hier
ist die Wiege des Theaters«, erklärte Kennit und wies dabei mit einer ausholenden Armbewegung auf das ganze Tal, das ausgerechnet an dieser Stelle ungewöhnlich leer wirkte, so als könnte es weit und breit nicht einmal ein kleines Bauernhaus, geschweige denn ein Theater geben. Wie immer, wenn er einiges getrunken hatte, hörte sich der berühmt-berüchtigte Stückeschreiber gern reden. Als er bemerkte, dass Briony ihn verdutzt ansah, zog er ein gequältes Gesicht. »Nein, nicht
hier
neben dieser Eiche, sondern im Lande Syan. Die Festspielstücke von Hierosol — fast alles trockene Geschichten, in denen es nicht um die Götter ging, sondern um fromme Sterbliche, die
Onirai
und sonstige Märtyrer — wurden hier zu den Maskenspielen der Großen und der Kleinen Zosimia und den Sangesnachtkomödien.
    Hier haben sie schon seit tausend Jahren Stückeschreiber und Schauspieler.«
    »Und noch keinem je bezahlt, was er wert ist«, knurrte Pedder Makswell.
    »Das liegt nur daran, dass es zu viele gibt«, erklärte Feival. »Wie jeder weiß, verderben zu viele Schuster die Schuhpreise.«
    »Aber wieso sind wir dann ... seid Ihr dann hierher gekommen?«, fragte Briony. »Gibt es denn keine Gegenden, wo Schauspieler als seltenere, aber um so geschätztere Gäste gelten?«
    Kennit fixierte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Drückt sich ziemlich gewählt aus für ein Dienstmädchen, unser Tim. Wo hast du gelernt, solche Sätze zu drechseln?«
    Finn Teodorus räusperte sich vernehmlich. »Langweilst du das Kind wieder mal mit deinen Vorträgen über die Geschichte der Bühnenkunst, Nevin? Es genügt doch wohl, dass die Syanesen unsere

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